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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Erlebnis der Stille ist ein Raumerlebnis“ 124 , für Balázs eine Berührung mit dem Grund allen Seins. Das<br />

Thema seines ersten Märchens, „Die Stille“, hat ihn wieder eingeholt.<br />

Von diesem dunklen Heimweh, jener „Ahnung, daß der Mensch nicht nur ein soziales, sondern auch<br />

ein kosmisches Wesen ist“ 125 spricht Balázs im Geist des Films auch im Zus<strong>am</strong>menhang mit der<br />

„großen Lebenskunst des Reisens“ 126 , die im Film ihre Objektivation gefunden habe.<br />

Im Kino, fast jeder Motilität beraubt, ist man unterwegs, immer in Bewegung, gehen Raum und Zeit<br />

eine eigentümliche Verbindung ein, deren Beschreibungen an Lévy-Bruhls Schilderungen des<br />

magischen Denken und seiner Vorstelllung von Raum und Zeit gemahnen.<br />

So kennt das mythische, genauer: das magische Denken weder homogene Zeit noch homogenen<br />

Raum, weder eine lineare Zeitvorstellung, in der Erscheinungen zu Ursachen und Wirkungen<br />

verkettet werden könnten, noch eine geometrische Vorstellung des Raumes, der den Dingen und<br />

Wesen, die sich in ihm aufhalten, gegenüber indifferent wäre.<br />

D<strong>am</strong>it nähere sich, so Lévy-Bruhl, die Zeitvorstellung „einem subjektiven Gefühl der Dauer - (durée)<br />

- das nicht ohne Analogie mit dem von Bergson beschriebenen ist.“ 127 Jene Möglichkeit, aber die<br />

Bergson beschrieben habe, dass nämlich „wir die Zeit als ein homogenes Quantum durch eine<br />

Verwechslung der lebendigen Dauer mit dem Raum auffassen, welcher tatsächlich ein Quantum<br />

ist“ 128 sei dem magisch geprägten Denken verwehrt. So fallen Raum und Zeit als Vorstellungen<br />

homogener Ausgedehntheit nicht nur zus<strong>am</strong>men, sondern in sich zus<strong>am</strong>men, werden physiognomisch,<br />

Ausdruck von Qualitäten.<br />

„Das Wort Zeitraum bekommt für den Film überhaupt eine besondere Bedeutung“ 129 , schreibt<br />

Balázs schon im sichtbaren Menschen.<br />

In seiner Kindheit, erinnert sich Balázs später, habe sich ihm „Zeitliches in Körperlich-Räumliches<br />

verwandelt“: „Zum Beispiel dachte ich schon d<strong>am</strong>als, daß es im Hause bei uns vielleicht eine<br />

Hintertür gebe, durch die man zu den Begebenheiten gelangen könne, die hinter uns liegen, in eine<br />

Art verborgenen Hinterhof, [...]. Diese räumliche Vorstellung der Zeit blieb mir bis zum heutigen Tag.<br />

124<br />

Ebd.<br />

125<br />

Ebd., S. 115.<br />

126<br />

Ebd.<br />

127<br />

Lévy-Bruhl, Die geistige Welt der Primitiven, S. 75.<br />

128<br />

Ebd., S. 78.<br />

129<br />

Balázs, „Der sichtbare Mensch“, S. 125.<br />

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