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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Gelingt die Identifikation mit der K<strong>am</strong>era, so wird das Raumerleben auch dann nicht gestört, wenn<br />

die K<strong>am</strong>era springt, oder in Reißschwenks rotiert. „Die Kontinuität des Raumes wird nicht<br />

unterbrochen. Wir fühlen ihn. Nicht nur als Behälter, als Platz für die Gegenstände, sondern ihn<br />

selber, den Raum, unabhängig von den einzelnen Objekten.“ 117 Der so empfundene Raum wird<br />

körperlich, und das heißt er kann auch zum Widerstand werden, den es zu überwinden gilt, der dem<br />

Begehren im Wege steht, dem Begehren der handelnden Figuren wie dem Begehren des Zuschauers.<br />

„Der Raum wird zum Widerstand, zum Geschiedensein. Die K<strong>am</strong>era, die ihn durchdringt, mißt die<br />

Spannung der Sehnsucht.“ 118<br />

1924 hatte Balázs in einer Kritik von Fritz Langs Nibelungenfilm dessen Sensibilität für die<br />

Raumwirkung gelobt, dies aber vor allem mit der Kunst der Gebärden in Zus<strong>am</strong>menhang gebracht.<br />

Seine Figuren „bewegen sich immer in einem übergroßen Raum in großer Distanz voneinander, und<br />

ihre Gebärden sind doch mit solcher Präzision einander zugespielt, daß sie diesen großen Raum<br />

durch ihren Kontakt zu durchdringen scheinen, und indem sie ihn ausfüllen, wachsen sie an ihm<br />

empor“, 119 Eine Steigerung der möglichen Raumwirkungen versprach Balázs sich vom Tonfilm, und<br />

einmal mehr sich selbst durch eine apodiktische Wendung widersprechend, heißt es <strong>am</strong> Ende von<br />

Der Geist des Films: „Der Raum aber, den man nur sieht, wird nie konkret. Man erlebt nur den<br />

Raum, den man auch hören kann.“ 120 Dabei sei es dem Ton eigentümlich, wenig über seine Position<br />

im Raum, aber umso mehr über die Qualität des Raumes mitzuteilen, je nachdem ob er in einem<br />

Keller oder auf der Straße, unter einer Kuppel oder über dem Wasser entstünde. Die höchste<br />

Steigerung dieser Wirkung sieht Balázs in der „negativen Denotation“ 121 der Stille: „das tiefste und<br />

bedeutendste Menschenerlebnis, das keine stumme Kunst, nicht Bild und Skulptur noch der stumme<br />

Film gestaltet hat“. 122 Die Stille, das gemeins<strong>am</strong>e Schweigen der Dinge, die doch so verschieden<br />

tönen, wird zur geheimen Verständigung, zu einem Gemeinschaftserlebnis. Wie in seinem Phantasie-<br />

Reiseführer heißt es nun auch hier: „In der Gemeins<strong>am</strong>keit der Stille sind die Dinge einander<br />

zugekehrt und merken den Menschen nicht mehr.“ 123 Dieses sich Ereignen der Stille sei nur im Kino,<br />

und nur im Tonfilm, im Verstummen der tönenden Dinge möglich, „denn das große, das ‘kosmische’<br />

117 Ebd., S. 100. Christian Metz hat offenbar jene Passage von Balázs im Gedächtnis, wenn er die Identifikation mit<br />

der Bewegung der K<strong>am</strong>era als Identifikation mit einem transzendentalen Subjekt charakterisiert (siehe Metz, The<br />

Imaginary Signifier, S. 50).<br />

118 Balázs, „Der Geist des Films“, S. 114.<br />

119 Béla Balázs, „Nibelungen II“, in: ders., Schriften zum Film. Band 1, S. 321.<br />

120 Balázs, „Der Geist des Films“, S. 160.<br />

121<br />

Ebd., S. 159.<br />

122<br />

Ebd.<br />

123<br />

Ebd., S. 160.<br />

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