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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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oder gegen uns geschieht. Das Unwahrscheinlichste <strong>am</strong> Märchen ist ja, daß alles darin einen Sinn<br />

hat.“ 88<br />

So, wie Max Lüthi vom Märchen, spricht Balázs schon im „sichtbaren Menschen“ von der<br />

„Einschichtigkeit des Films“ 89 , in der Dr<strong>am</strong>a und Darstellung zu einer Einheit verschmelzen würden.<br />

„Denn der Urstoff, die poetische Substanz des Films ist die sichtbare Gebärde.“ 90 Wenn die<br />

Gebärde den Blick des Darstellers in die K<strong>am</strong>era zur Projektion des inneren nach außen verwandelt,<br />

so wird die K<strong>am</strong>era für Balázs’ im Fortgang seiner Suche nach dem Wesen des Films selbst zum<br />

Ausdruck der Gebärde des Sehens, zum mimischen Gestus, in dem sich der subjektive Blick auf den<br />

Gegenstand und der Gegenstand auf den er fällt, unlösbar vereinen. „Das Bild selbst ist die<br />

Wirklichkeit, die wir erfahren, und es gibt kein Dahinter, keine bildjenseitige konkrete<br />

Gegenständlichkeit.“ 91 Von hier ist es nicht mehr weit zur introspektiven Entdeckungsreise durch die<br />

Welt des Bewusstseins. An Ruttmanns „Symphonie einer Großstadt“ beschreibt Balázs, wie sich der<br />

Blick der K<strong>am</strong>era „gleichs<strong>am</strong> nach innen“ 92 kehre, auf die „Dinge, wie sie in der Seele erscheinen“ 93 ,<br />

wie wir sie wünschen und imaginieren.<br />

12.3 Zeit-Raum:<br />

Identifikation, Allmacht und die Selbstvernichtung des Subjekts<br />

Wenn Balázs von Raum spricht, dann meint er offenkundig zweierlei: Bild und körperliche<br />

Empfindung, ein Sehen und ein Erleben. Mal ist er ein leeres Kontinuum, in dem sich die Körper<br />

verteilen, mal ein Fluidum, das, obwohl nicht zu sehen, jederzeit zu spüren ist. Mal trennt der Raum<br />

die Objekte von einander, mal verbindet er sie. Mal schafft er Überblick, doch dann wird er zum<br />

irrealen Raum, der keine fixierbaren Orte besitzt, an dem alles zu jeder Zeit und an jedem Ort<br />

hervorbrechen kann. Der Raum, den Balázs als den seiner Kindheit erinnert, ist ein solcher Raum der<br />

88<br />

Béla Balázs, „Chaplins Märchen“, in: ders., Schriften zum Film. Band 1, S. 363 [zuerst in: Der Tag, 28.3.1926].<br />

Das kurze Feuilleton zu Chaplins GOLDRAUSCH ist die letzte Wiener Äußerung Balázs’ zum Film.<br />

89<br />

Balázs, „Der sichtbare Mensch“, S. 59.<br />

90<br />

Ebd., S. 60.<br />

91<br />

Balázs, „Der Geist des Films“, S. 126. Im Zeichentrickfilm findet dies bloß seinen radikalsten Ausdruck: „Hier<br />

gibt es zwischen Sein und Schein überhaupt keinen Unterschied. [...] Weil zwischen Schein und Sein kein<br />

Unterschied ist, wird Ähnlichkeit zur Identität. Das sind absolute Bilder. Das ist absoluter Film.“ (S. 140f.)<br />

92<br />

Ebd., S. 127.<br />

93 Ebd., S. 129.<br />

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