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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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und das sinnliche Empfinden des bloßen Daseins wird bis zum Rauschgefühl gesteigert.“ 79 Der reine<br />

„Wirklichkeitsfilm bis zu seiner letzten Konsequenz geführt, ergibt sein Gegenteil: den absoluten<br />

Film.“ 80 Sachlichkeit wird zur Formspielerei, die Formspielerei selbst aber wird „wesentlich“. Denn<br />

Balázs diskutiert den vergeblichen Versuch der Sachlichkeit zum objektiven Sein vorzustoßen als<br />

Beleg dafür, dass im Film der Dualismus von Wesen und Erscheinung aufgehoben wird. “Das Ding<br />

wird wesenlos, weil seine Erscheinung so wesentlich wird. Das Bild selbst ist die erlebte<br />

Wirklichkeit. Und die nur visuell erlebte Wirklichkeit, das ist der absolute Film.“ 81<br />

Seine Stellung zum Tonfilm bleibt zwiespältig. In einem Essay über das Radiodr<strong>am</strong>a hatte er Mitte<br />

der zwanziger Jahre noch die Eigenständigkeit der Sinne und der von ihnen wahrgenommenen<br />

Welten betont: „Kunst entsteht überhaupt nur durch das Ausschalten einiger Sinne, und jedesmal war<br />

noch das ‘Ges<strong>am</strong>tkunstwerk’ ein dilettantisches, unerfreuliches Unternehmen. [...] Man kann nicht in<br />

ein Gebäude durch fünf Tore auf einmal eingehen, nicht durch fünf Sinne auf einmal in die Welt. [...]<br />

Denn die Dinge sind zwar zu sehen und zu hören, zu riechen, zu tasten und zu schmecken. Aber -<br />

und das ist das grosse Geheimnis - was wir hören und was wir sehen, ist nicht dasselbe Ding.“ 82<br />

Doch wie kaum jemand anderes zu dieser Zeit erkennt er im Tonfilm neue künstlerische<br />

Möglichkeiten, denen er in Der Geist des Films ein ausführliches Kapitel widmet. Konsequent<br />

begreift er den Ton nicht als Illustration zum Bild, sondern fordert dazu auf, in „Tonmontage“ und<br />

„Tongroßaufnahme“ die hörbare Welt eigenständig und kontrapunktisch in die Ausdrucksmittel des<br />

Filmes hineinzuarbeiten. 83 Seine Befürchtung, die nun entstandene Möglichkeit zu theaterhaften<br />

Dialogen lasse den Film zunächst einmal unter das erreichte Niveau seiner Ausdrucksmöglichkeiten<br />

zurückfallen, er müsse in mancher Hinsicht wieder von vorn beginnen seine Form zu finden, erwies<br />

sich bald als treffende Voraussicht. Stattdessen fordert Balázs, auch für die gesprochenen Dialoge<br />

eine neue Filmsprache zu entwickeln, die weniger ihren Inhalt, als ihren akustischen<br />

Ausdruckscharakter betont.<br />

„Absoluter Film“ aber ist für Balázs keine Kategorie, wie der „abstrakte“ oder der surrealistische<br />

Film, der „Gedankenfilm“ oder der „Querschnittfilm“, denen er letztlich den Charakter von<br />

79 Ebd.<br />

80 Ebd.<br />

81 Ebd.<br />

82 Béla Balázs, „Das Radiodr<strong>am</strong>a“, Typoskript, in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5014/144.<br />

83 Vgl. dazu auch das schon erwähnte Exposé „Dein Kind sieht dein Leben“ und der darin erprobten<br />

Entgegensetzung der visuellen Welt des Kindes und der auditiven der blinden Großmutter.<br />

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