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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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formulierbarer Zus<strong>am</strong>menhänge, die tief unter der Oberfläche liegen“. 65 So bleibt Balázs mangels<br />

Begriffe nur, das vermutetete Phänomen zu umkreisen.<br />

Solche sinnlichen Symbolbilder sollen, wie Balázs über den „absoluten Film“ schreibt, „Emotion nicht<br />

darstellen, sondern im Zuschauer direkt bewirken. Es ist eigentlich ein Suggestionsverfahren.“ 66<br />

Montage bedeutet für ihn den experimentellen Umgang mit jenen sinnlichen Analogien, die auch Ernst<br />

Cassirer zur gleichen Zeit in seiner Philosophie der symbolischen Formen als Struktur des<br />

„mythisch-substantiellen Identitätsdenkens“ 67 ausgemacht hat. „Für dieses gilt jede Gemeins<strong>am</strong>keit<br />

von Eigenschaften, jede Ähnlichkeit in der sinnlichen Erscheinung verschiedener Dinge oder in ihrer<br />

Wirkungsart schließlich nur dadurch als erklärt, daß in ihnen ein und dieselbe dingliche Ursache<br />

irgendwie ‘enthalten’ ist.“ 68 Auch Cassirer stützt sich dabei auf Lévy-Bruhls Untersuchungen über<br />

das magische Denken, das „Gesetz der Partizipation“, das Identität und Verschiedenheit nicht als<br />

sich gegenseitig ausschließende Zustände begreift, das Zufälle nicht kennt, sondern nur Bedeutungen<br />

und Offenbarungen, das aber scheinbar jedem „Kausalzus<strong>am</strong>menhang gegenüber gleichgültig“ 69<br />

bleibt.<br />

Wenn Ruttmann in der SYMPHONIE DER GROßSTADT Gasröhren mit schlanken Frauenbeinen<br />

verbindet, oder Eisenstein in der GENERALLINIE „die Großaufnahme einer Grille mit einer<br />

Mähmaschine viermal hintereinander zus<strong>am</strong>menmontiert, nur weil sie ‘dieselbe Linie’ hatten“, dann<br />

zeigt „Montage [...] die dargestellte Welt auch als bewegtes Orn<strong>am</strong>ent“. 70 D<strong>am</strong>it werden Menschen<br />

und Dinge, Wachzustand und Traum, Gegenständlichkeit und Assoziation ununterscheidbar auf eine<br />

Ebene der Darstellung zus<strong>am</strong>mengezogen, einem magischen Identitätsdenken unterworfen. „Denn<br />

eben dort, wo wir eine bloße ‘Analogie’, d.h. ein bloßes Verhältnis sehen, hat es der Mythos nur<br />

mit unmittelbarem Dasein und mit unmittelbarer Gegenwart zu tun. Für ihn gibt es kein bloßes<br />

Zeichen, das auf ein Entferntes und Abwesendes ‘hindeutet’ [...].“ 71 Sichtbare und unsichtbare Welt<br />

sind voneinander nicht getrennt, „die Ereignisse in der sichtbaren Welt hängen“, wie Lévy-Bruhl<br />

schreibt, „jeden Augenblick von den Kräften der andern ab“. 72 Umgekehrt beruht Cassirer zufolge<br />

die Vorstellung der magischen Wirkung mimischer (bzw. mimetischer) Handlungen darauf, dass „man<br />

65<br />

Balázs, „Vorstoß in eine neue Dimension“, S. 214.<br />

66<br />

Balázs, „Der Geist des Films“, S. 134.<br />

67<br />

Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 2. Das mythische Denken. Darmstadt:<br />

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977 [1924], S. 85.<br />

68<br />

Ebd., S. 85.<br />

69<br />

Lévy-Bruhl, Die geistige Welt der Primitiven, S. 26.<br />

70<br />

Balázs, „Der Geist des Films“, S. 91.<br />

71<br />

Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen.Bd. 2, S. 87.<br />

72<br />

Lévy-Bruhl, Die geistige Welt der Primitiven, S. 343.<br />

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