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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Auch Eisenstein, schreibt Balázs 1930, würde der Gefahr der „Ideogr<strong>am</strong>me“ 57 , der<br />

„Hieroglyphenfilme [...] der Reproduktion gestellter Bilderrätsel“ 58 verfallen. „Wenn bei Eisenstein<br />

einmal die Statue des Zaren vom Sockel gerissen wird, so bedeutet das den Sturz des Zarismus.“ 59<br />

D<strong>am</strong>it freilich macht es Balázs sich etwas zu leicht. Denn die mehrgliedrige Metaphernbildung<br />

Eisensteins besteht gerade nicht darin, das fertige Symbole „von außen her hineingemengt“ 60 werden.<br />

An den Hieroglyphen und chinesischen, bzw, japanischen Ideogr<strong>am</strong>men, mit denen Eisenstein sich in<br />

dieser Zeit tatsächlich intensiv beschäftigt, interessieren ihn vor allem deren Mechanismen der<br />

Verbindungen von unterschiedlichen Symbolen, die erst in ihrer Wechselwirkung das Ideogr<strong>am</strong>m<br />

eines Begriffes ergeben. 61 Wenn Hans Joachim Schlegel aber schreibt, dass Eisenstein die Ebene von<br />

isolierten Metaphern und Symbolen verlassen würde, „um eine neue filmsprachliche Dimension zu<br />

eröffnen, die ein gedankliches, ideologisches Konzept als visuelle Schrittfolge einsichtig zu machen<br />

vermag“, so erscheint der Schluss, d<strong>am</strong>it sei „die ‘Bedeutung’ filmisch eben nicht ‘a priori’ gesetzt,<br />

sondern [...] als etwas filmisch erst Entstehendes dargeboten“ 62 keineswegs zwingend eine<br />

emanzipative Bedeutung zu besitzen. Nicht der Rezipient stellt individuell und schöpferisch diese<br />

Verbindungen her, sie sind längst ins Material versenkt und werden im Rezeptionsakt allenfalls<br />

nachvollzogen und wieder zurück in Sprache verwandelt. So nimmt es nicht wunder, dass Balázs in<br />

der konstruktivistischen Utopie der Verschmelzung von Zeichen und Gefühlsausdruck in der Technik<br />

der Montage <strong>am</strong> Ende doch nur einen Rückgriff „auf die älteste, primitivste Form der<br />

Zeichenschrift“ 63 erkennen mag.<br />

Wenn aber für Balázs „die Begrifflichkeit des Wortes den irrationellen, halluzinativen Charakter der<br />

sinnlichen Wahrnehmung“ 64 verfälscht, dann beruft sich seine Montagetheorie auf einen anderen<br />

Zus<strong>am</strong>menhang der Dinge und Wesen, den es sichtbar zu machen gelte, „begrifflich gar nicht<br />

57<br />

Balázs, „Der Geist des Films“, S. 89.<br />

58<br />

Ebd.<br />

59<br />

Ebd.<br />

60<br />

Ebd.<br />

61<br />

„Entspricht jede einzelne Hieroglyphe einem Gegenstand, einem Faktum, so erweist sich ihre Zus<strong>am</strong>menfügung<br />

als einem Begriff entsprechend. Durch Kombinieren von zwei ‘Darstellbaren’ wird die Zeichnung von graphisch<br />

Undarstellbarem erreicht. [...] Messer und Herz - ‘Kummer’ usw. Aber das ist ja - Montage!! Ja. Genau das gleiche,<br />

was wir im Film machen, wenn wir kurze darstellerische Bildeinstellungen, möglichst einschichtige,<br />

bedeutungsneutrale, zu bedeutungsgeladenen Kontexten und Reihen zus<strong>am</strong>menfügen.“ (Sergej M. Eisenstein,<br />

„Das Prinzip einer Filmkunst jenseits der Einstellung“ [1929], in: ders., Schriften 3, S. 227. Der Aufsatz erschien<br />

zuerst als Nachwort zu N. Kaufmann, Japonskoe kino [Der japanische Film].)<br />

62<br />

Hans Joachim Schlegel, „Eisensteins dialektisch-visuelle Demonstration der weltgeschichtlichen Oktoberwende<br />

und der ‘Kinematograph der Begriffe’“, in: Eisenstein, Schriften 3, S. 21.<br />

63<br />

Balázs, „Der Geist des Films“, S. 89.<br />

64 Ebd., S. 86.<br />

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