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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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auffälliger. Das ist nicht immer ein Vorteil. Jedenfalls ergeben sich dadurch die illustrativen<br />

Schulbeispiele.“ 48<br />

Mehr noch als Der sichtbare Mensch ist Der Geist des Films selbst Montage, assoziatives<br />

Geflecht von Beobachtungen, Gedanken, Beispielen, kleinen Essays und großen<br />

Argumentationslinien, die immer wieder um den gleichen Widerspruch kreisen. 49 Der Film sei eine<br />

neue universelle Sprache, aber er sei eben doch keine Sprache. Es ist genau dieser Widerspruch,<br />

um den die Filmtheorie bis heute kreist, und den Eisenstein mit seiner Vision aufzulösen verspricht,<br />

ohne dieses Versprechen jemals halten zu können. Es ist dieser Widerspruch, der die Faszination<br />

erklärt, mit der Balázs Eisenstein begegnet und die er zugleich zu demontieren versucht.<br />

Balázs zitiert einen Vortrag Eisensteins vom 17. Februar 1930, den dieser an der Pariser Sorbonne<br />

gehalten, und in dem er seine Vorstellungen eines „intellektuellen Films“, seinen Aufruf, abstrakte<br />

Ideen in dialektische Bilder zu verwandeln, ja sein Vorhaben, Das Kapital zu verfilmen, öffentlich<br />

bekräftigt hat: „Unmittelbar im Bild oder in der Bildkombination suchen wir das Mittel,<br />

Gefühlsreaktionen zu erregen, die vorausberechnet sind. Diese Gefühlsbewegungen wecken dann die<br />

Gedanken. Vom Bild zur Empfindung, von der Empfindung zur These. [...] In uralten Zeiten, in den<br />

magisch-religiösen Zeiten, war die Wissenschaft Erkenntnis und Gefühl zugleich gewesen. Das hat<br />

sich in einen Dualismus geschieden. [...] Wir müssen jetzt, ohne auf das primitiv-religiöse Stadium<br />

zurückzukehren - wieder eine ähnliche Synthese der beiden Elemente versuchen. Ich glaube, daß nur<br />

der Film diese große Synthese schaffen kann: die Intellektualität auf ihre vitalen Quellen, auf<br />

Konkretion und Emotion zurückzuführen.“ 50<br />

Eisenstein gegenüber gelingt es selbst Balázs, eine „rationalistische“ Position zu behaupten, und<br />

darauf hinzuweisen, dass eine Einheit von spekulativem Denken und unbewusstem Gefühl nicht<br />

48 Ebd., S. 75.<br />

49 Rudolf Arnheim kritisierte, bevor er selbst seine Theorien zwei Jahre später in seinem Buch Film als Kunst<br />

publizierte, den Geist des Films als zu untheoretisch: „Dieser mehr auf das Sinnliche als auf Ordnung gerichtete<br />

Geist ist so gepackt von seinem Stoff, daß er nicht recht wiederpacken kann [...]. Alle Anregungen werden<br />

gegeben, alle Fragestellungen aufgezeigt, der Hunger des Lesers wird aufs beste erregt, aber nicht befriedigt.<br />

Balázs gibt das vollständige Material zu einer unübertrefflichen Filmästhetik. Das Buch, das er nicht geschrieben<br />

hat, ist ausgezeichnet.“ (Rudolf Arnheim, „Der Geist des Films“, in: Die Weltbühne, Jg., 26, H. 46 (11.11.1930), S.<br />

724)<br />

50 Ebd., S. 113. Balázs zitierte aus der Revue du Cinéma vom 1.4.1930, und er nahm sich die Freiheit, die<br />

entsprechende Passage, insbesondere die Formulierung in der es um die gezielte Hervorrufung bestimmter<br />

Emotionen und Ideen geht, noch etwas zu pointieren (vgl. Balázs, Schriften zum Film. Band 2, S. 309f., Anm. 29).<br />

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