Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz
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irrationellen Aufeinanderbezogenheit, das Gefühl heimlicher, begrifflich gar nicht formulierbarer Zusammenhänge, die tief unter der Oberfläche liegen.“ 10 Die Verlockung des Geldes, so schrieb Balázs schon in Der sichtbare Mensch, sei das Geheimnis des Kapitalismus, des verdinglichten Lebens. Der Film habe mit dem Detektiv angefangen. „Denn der Detektiv bedeutet die Romantik des Kapitalismus. Das Geld ist die große Idee, um die der Kampf geht. Das Geld ist der vergrabene Märchenschatz, der heilige Gral und die blaue Blume der Sehnsucht.“ 11 Ist der Kleinbürger, der vom sozialen Aufstieg jenseits der Klassen träumt, für Balázs die soziale Basis des Kino, so sei der Kitsch dessen tiefstes und allgemeinstes Bedürfnis: „Gefühl ohne Konsequenz“. 12 Auch Balázs’ erstes Film-Exposé, 1920 nach einer Idee von Gerhart Eisler in Wien verfasst, hatte einen Detektiv zum Gegenstand, der „in seinem Trancezustand der Räuber ist, der sich selbst verfolgt und sich selbst schließlich auch erwischt“. 13 Georg Simmel hatte das Geld, die Wertform, in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem „Urphänomen“ des Begehrens gerückt, des Bewusstseins des Subjekts vom Objekt, das diese zugleich trennt und verbindet, ausgehend von den ersten Regungen eines „Selbstbewußtseins“, in dem sich das Subjekt selbst objektiviert. 14 „Unsere Seele besitzt keine substantielle Einheit, sondern nur diejenige, die sich aus der Wechselwirkung des Subjekts und des Objekts ergibt, in welche sie sich selbst teilt.“ 15 Das Leben einer solchen Seele verlaufe als unendlicher Prozess, dessen „aktuelle Form, gleichsam sein Querschnitt, die Kreisbewegung ist: das seelische Subjekt weiß sich als Objekt und das Objekt als Subjekt.“ 16 So ist für Simmel das Geld, als universelles Medium des Tausches zugleich Tendenz der Abstraktion und Repräsentant einer nur metaphysisch zu erkennenden Einheit. „Durch die ins Unendliche hin fortgesetzte Auflösung jedes starren Fürsichseins in Wechselwirkungen nähern wir uns überhaupt erst jener funktionellen Einheit aller Weltelemente, in der die Bedeutsamkeit eines jeden auf jedes überstrahlt.“ 17 10 Béla Balázs, „Vorstoss in eine neue Dimension“, in: ders., Schriften zum Film. Band 2, S. 213 [zuerst in: Die literarische Welt, Jg. 2, H. 45 (5.11.1926), S. 7.]. 11 Balázs, „Der sichtbare Mensch“, S. 132. 12 Ebd., S. 192. 13 Balázs, Napló 1914-1922, S. 434. Eintrag vom 26.10.1920. 14 Simmel, Philosophie des Geldes, S. 10ff. 15 Ebd., S. 84. 16 Ebd. 17 Ebd. 381
Balázs selbst hat sich von der „süßen Liebeshandlung“ 18 , die die DIE ABENTEUER EINES ZEHNMARKSCHEINES vom offenen Querschnitt zu einer geschlossenen Kreisbewegung werden lässt, später nachdrücklich distanziert. „Im Manuskript dieses Films gab es keine durchgehenden Hauptfiguren. [...] Es ist, als könnten genauso mehr oder auch weniger Szenen gezeigt werden.“ 19 Der Querschnittfilm, den er anstrebte, und der offenbar nicht konsequent realisiert wurde, hatte für Balázs den Charakter eines Experiments, aber nicht einer verbindlichen Perspektive der Filmkunst. Mit der Tendenz der neuen Sachlichkeit, als deren ersten bedeutenden Vertreter Siegfried Kracauer DIE ABENTEUER EINES ZEHNMARKSCHEINES bezeichnete, mit der Ideologie der „neuen Sachlichkeit“ jedenfalls wollte Balázs keineswegs identifiziert werden. Im Blick auf BERLIN. SYMPHONIE EINER GROSSSTADT versucht er, im Verweis auf den anthropomorphen Ausdruck des Films, auch Walter Ruttmann, Karl Freund und Carl Mayer gegen solche ideologische Vereinnahmung in Schutz zu nehmen, und charakterisiert gleichzeitig die „neue Sachlichkeit“ als dionysischen Taumel, als masochistischen Rausch der Selbstverleugnung im Zeichen kapitalistischer Verdinglichung: „das ekstatische Untergehen-Wollen in der ‘Sache’, im ungeheuren Mechanismus des sozialen und technischen Betriebs. Doch möge sich dieser Drang: Objekt unter den Objekten zu sein, nicht sozialistisch geben! Die Vision eines solchen mechanisierten Lebensbetriebes ist eine großindustrielle Vision.“ 20 Balázs setzt dagegen auf die Durchdringung und Verlebendigung der Dinge durch die Menschen. Auch wenn der Film „in jeder Faser erkenntlich [...] ein Erzeugnis der kapitalistischen Großindustrie“ 21 sei, so hatte Balázs schon im „sichtbaren Menschen“ geschrieben, weise er doch notwendig über sie hinaus. Indem er die Sehnsucht der Menschen nach dem „Erleben konkreter, unmittelbarer Wirklichkeit“ 22 zum Ausdruck bringe, überwinde er, wie Balázs vulgärmarxistisch schließt, die Herrschaft der Abstraktion, der „Verdinglichung“, in der der „Eigenwert der Dinge 18 Balázs, „Der Geist des Films“, S. 111. 19 Ebd. 20 Béla Balázs, „Nebenbei“, in: ders., Schriften zum Film. Band 2, S. 221 [zuerst in: Film-Kurier, 15.10.1927]. Die Distanzierung zur neuen Sachlichkeit bleibt für Balázs ein zentrales Thema. Ende 1928 nimmt Balázs diese Formulierungen in einem Aufsatz in der Weltbühne fast wörtlich wieder auf und fügt hinzu, diese „Sachlichkeit“ sei „als Bild der taylorisierten Welt aus dem Lebensgefühl des Trustkapitals erstanden. Es ist die Ästhetik des laufenden Bandes. Es ist die letzte Etappe jener ‘Verdinglichung’, die Karl Marx als den größten Fluch des bürgerlichen Kapitalismus bezeichnet hat.“ (Béla Balázs, „Sachlichkeit und Sozialismus“, in: ders., Schriften zum Film. Band 2, S. 237 [zuerst in: Die Weltbühne, 18.12.1928]. Schließlich findet sich die zuletzt zitierte Formulierung beinahe wörtlich in „Der Geist des Films wieder“ (S.196). 21 Balázs, „Der sichtbare Mensch“, S. 135. 22 Ebd. 382
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Balázs selbst hat sich von der „süßen Liebeshandlung“ 18 , die die DIE ABENTEUER EINES<br />
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lässt, später nachdrücklich distanziert. „Im Manuskript dieses Films gab es keine durchgehenden<br />
Hauptfiguren. [...] Es ist, als könnten genauso mehr oder auch weniger Szenen gezeigt werden.“ 19<br />
Der Querschnittfilm, den er anstrebte, und der offenbar nicht konsequent realisiert wurde, hatte für<br />
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Mit der Tendenz der neuen Sachlichkeit, als deren ersten bedeutenden Vertreter Siegfried Kracauer<br />
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Films, auch Walter Ruttmann, Karl Freund und Carl Mayer gegen solche ideologische<br />
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Verdinglichung: „das ekstatische Untergehen-Wollen in der ‘Sache’, im ungeheuren Mechanismus<br />
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sein, nicht sozialistisch geben! Die Vision eines solchen mechanisierten Lebensbetriebes ist eine<br />
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Balázs setzt dagegen auf die Durchdringung und Verlebendigung der Dinge durch die Menschen.<br />
Auch wenn der Film „in jeder Faser erkenntlich [...] ein Erzeugnis der kapitalistischen<br />
Großindustrie“ 21 sei, so hatte Balázs schon im „sichtbaren Menschen“ geschrieben, weise er doch<br />
notwendig über sie hinaus. Indem er die Sehnsucht der Menschen nach dem „Erleben konkreter,<br />
unmittelbarer Wirklichkeit“ 22 zum Ausdruck bringe, überwinde er, wie Balázs vulgärmarxistisch<br />
schließt, die Herrschaft der Abstraktion, der „Verdinglichung“, in der der „Eigenwert der Dinge<br />
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Balázs, „Der Geist des Films“, S. 111.<br />
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Béla Balázs, „Nebenbei“, in: ders., Schriften zum Film. Band 2, S. 221 [zuerst in: Film-Kurier, 15.10.1927]. Die<br />
Distanzierung zur neuen Sachlichkeit bleibt für Balázs ein zentrales Thema. Ende 1928 nimmt Balázs diese<br />
Formulierungen in einem Aufsatz in der Weltbühne fast wörtlich wieder auf und fügt hinzu, diese „Sachlichkeit“<br />
sei „als Bild der taylorisierten Welt aus dem Lebensgefühl des Trustkapitals erstanden. Es ist die Ästhetik des<br />
laufenden Bandes. Es ist die letzte Etappe jener ‘Verdinglichung’, die Karl Marx als den größten Fluch des<br />
bürgerlichen Kapitalismus bezeichnet hat.“ (Béla Balázs, „Sachlichkeit und Sozialismus“, in: ders., Schriften zum<br />
Film. Band 2, S. 237 [zuerst in: Die Weltbühne, 18.12.1928]. Schließlich findet sich die zuletzt zitierte Formulierung<br />
beinahe wörtlich in „Der Geist des Films wieder“ (S.196).<br />
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Balázs, „Der sichtbare Mensch“, S. 135.<br />
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