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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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XII.<br />

Die Geister des Films<br />

Berliner Aufbrüche und Einbrüche 1926-1931<br />

12.1 „Béla vergisst die Schere“<br />

Debatten mit Eisenstein über Montage und Hieroglyphenfilm<br />

Am 9. Juni 1926 hält Balázs in Berlin einen Vortrag im Klub der K<strong>am</strong>eraleute, über „Filmtradition<br />

und Filmzukunft“ 1 , ein Vortrag, über den es bald zum Streit mit Sergej Eisenstein kommen wird.<br />

Balázs ist in der Hoffnung nach Berlin gekommen, in der Film-Metropole als Drehbuchautor Fuß zu<br />

fassen und die Zukunft des Films auch praktisch mitgestalten zu können. Über die genauen Umstände<br />

seiner Übersiedelung ist wenig Gesichertes bekannt. Die Rubrik „Der Filmreporter“ hatte Balázs<br />

schon in Wien seit Anfang 1925 anderen überlassen müssen und nur noch vereinzelt in seinen<br />

Feuilletons („Sonntagsartikeln“) Bezug auf den Film genommen. Am 7. April 1926 erscheint seine<br />

letzte Theaterkritik in der Zeitung Der Tag, der Verriss eines Stückes von Romain Rolland über die<br />

französische Revolution als „Gesinnungskitsch“. Balázs bezieht einen offen radikalen Standpunkt<br />

gegen die im Stück gefeierten Girondisten und zugunsten des revolutionären Proletariats, das Rolland<br />

als „Kabarettkarikaturen und tierisches Gesindel“ dargestellt habe. 2 Anna Balázs behauptete später,<br />

Balázs sei „wegen der Beschwerdebriefe empörter Kapitalisten“ 3 gekündigt worden. Doch Balázs’<br />

Abgang erfolgte ohne jeden offen ausgetragenen Konflikt. Er bek<strong>am</strong> sein Jahresgehalt ausbezahlt und<br />

schon vier Tage später, <strong>am</strong> 11. April, Gelegenheit, sich bei seinen Lesern in seinem letzten<br />

Sonntagsfeuilleton „Unbekannte Freunde“ zu verabschieden. „Nun habe ich in einer Stadt drei Jahre<br />

lang zu einem Fenster hinausgeschrieben und fühlte mich unter unbekannten Freunden zu Hause. Nur<br />

jetzt, wo ich weiterziehen muß, geht mir etwas ab.“ 4 Balázs wird sich kaum innerhalb von drei Tagen<br />

entschlossen haben, Wien zu verlassen. Wie lange seine Übersiedelung nach Berlin schon geplant<br />

war, ob er den revolutionären Ton seiner letzten Kritik mit Bedacht gewählt hatte, um sich einen<br />

1 Der Vortrag erschien gekürzt unter dem Titel „Produktive und reproduktive Filmkunst“ in: Filmtechnik,<br />

12.6.1926, S. 234-235, hier zitiert aus: ders., Schriften zum Film. Band 2, S. 209-212.<br />

2 Béla Balázs, „Ein Spiel von Tod und Liebe“, in: Der Tag, 7.4.1926.<br />

3 Erinnerungen von Anna Balázs, zit. nach Diederichs, „Die Wiener Zeit“, S. 40.<br />

4 Béla Balázs, „Unbekannte Freunde“, in: Der Tag, 11.4.1926. In seinem Nachlass sind einige empathische<br />

Zuschriften erhalten, die Balázs nach diesem Abschiedsartikel von begeisterten Lesern seiner Feuilletons und<br />

Kritiken erhalten hatte.<br />

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