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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Technik und auch nicht auf die schiere Präsenz, den Ausdruck als unwillkürliche Mitteilung 135 ,<br />

sondern auf die Realisation einer geheimen Verwandtschaft, auf das Ineinanderdringen sich<br />

gegenseitig bespiegelnder Wesen, auf die Herstellung eines Beziehungs-Raumes. Jean Epstein hatte<br />

schon 1921 den Film in ähnlicher Weise scharf vom Theater abgehoben und eine „Ästhetik der<br />

Nähe“ postuliert: „Man betrachtet das Leben nicht, man durchdringt es. Diese Durchdringung erlaubt<br />

alle Intimitäten. Ein unter die Lupe genommenes Gesicht vergrößert sich und stellt seine innerste<br />

Geographie zur Schau.“ 136<br />

Balázs findet für seine Utopie gegenseitiger Anverwandlung eindrucksvolle Beispiele, vor allem in den<br />

Filmen Asta Nielsens. Und die Dichte dieser Beschreibungen machen bis heute einen großen Teil der<br />

Wirkung seines ersten Filmbuches aus. Asta Nielsens mimische Dialoge verwandeln selbst einen<br />

„kalten, luftleeren Raum“ 137 in das Medium eines „lebendigen Kontakt[s]“. 138 „Asta Nielsen<br />

Mienenspiel ahmt, wie das der kleinen Kinder, während des Gesprächs die Mienen des anderen<br />

nach. Ihr Gesicht trägt nicht nur den eigenen Ausdruck, sondern kaum merklich (aber immer fühlbar)<br />

reflektiert sich darin wie in einem Spiegel der Ausdruck des anderen. Wie ich im Theater hören kann,<br />

was die Heldin hört, so kann ich an ihrem Gesicht sehen, was sie sieht. Sie trägt den ganzen Dialog<br />

auf ihrem Gesicht und verschmelzt ihn zur Synthese des Erfassens und Erlebens.“ 139 Das Antlitz des<br />

Schauspielers figuriert selbst als K<strong>am</strong>era, deren Optik sich der Zuschauer unterwirft. K<strong>am</strong>era und<br />

Schauspieler organisieren den physiognomischen Blick, der den Raum zwischen den Objekten füllt,<br />

ihre geheimen Beziehungen aufdeckt, aus dem „kalten, luftleeren Raum“ eine „freundliche Weite“, ein<br />

tragendes Fluidum schafft. Balázs spricht in diesem Zus<strong>am</strong>menhang auch von der „Aura“, als<br />

Ausdehnung des Menschen und seines Körpers über seine Grenzen hinaus. „Das Milieu wird zur<br />

sichtbaren ‘Aura’ des Menschen, zu seiner über die Konturen des Körpers erweiterten<br />

Physiognomie.“ 140<br />

Schon im sichtbaren Menschen beschreibt Balázs jene Techniken der Großaufnahme und der<br />

Bilderführung (also Einstellung und Montage), die dem Film zur Herstellung der „visuellen<br />

134 Ebd.<br />

135 So heißt es bei Epstein: „Das Gesicht drückt nichts aus, wie es das des Schauspielers tut, vielmehr suggeriert<br />

es etwas. Ein unterbrochenes Lachen, wie man es sich schon vorstellt, kaum daß man seinen Ansatz erblickt hat.“<br />

(Jean Epstein, „La Poésie d’aujourd’hui“ [1921], in: ders., Écrits sur le cinéma, Paris 1974, S. 66 [zitiert nach Wuss,<br />

Kunstwert des Films, S. 112].<br />

136 Ebd. [zitiert nach Wuss, Kunstwert des Films, S. 111].<br />

137<br />

Ebd., S. 140.<br />

138<br />

Ebd.<br />

139<br />

Ebd., S. 140f.<br />

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