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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Glas.“ 93 Beim Grottenvater in der Höhle trinken sie Wein aus Kelchen von Bergkristall. Paul will die<br />

Lieder des Alten lernen, das Geheimnis seiner Musik entdecken. Aus den kristallenen Kelchen blickt<br />

ein Auge sie an, mit dem sie weit übers Land schauen können, „mit geweiteten Augen“. 94 Eine<br />

„große Stille“ breitet sich über sie aus, vor der Peter sich fürchtet und die ihn zugleich gefährlich<br />

anzieht. Peter will Paul wegbringen von diesem Ort. Doch Paul wirft seine Harmonika fort, will bei<br />

dem Alten bleiben, seine Musik von ihm lernen, nicht weiter wandern. „Jetzt kann ich die ganze Welt<br />

von hier sehen.“ 95 Peter steckt ihm seinen Ring an den Finger um ihn an sich zu binden, und es<br />

kommt, wie es kommen muss.<br />

Schließlich erleidet auch das Fabrikmädchen Ilona, in das Peter sich verliebt und mit dem er ein<br />

halbes Jahr zus<strong>am</strong>menlebt, das gleiche Schicksal. Nach einer Nacht auf Rosenblättern, der<br />

Apotheose ihrer Liebe, kommt über sie beide die Stille und Peter wird unruhig. Ilona aber ist<br />

glücklich. „Noch nie hab’ ich mich so eins mit dir gefühlt, wie jetzt. Als versänke alles, was zwischen<br />

uns liegt, und als spülte uns diese Stille zus<strong>am</strong>men wie ein großer Strom. Und als versteckte uns diese<br />

große Stille vor Leben und Tod.“ 96 „Ruf die Stille nicht her, Ilona!“ 97 , warnt Peter, doch es ist zu<br />

spät. Er will sich an Ilona kl<strong>am</strong>mern, der Stille entgehen, indem er Ilona den Ring ansteckt. Und er<br />

verliert sie so für immer.<br />

Endlich fügt er sich seinem Schicksal und erwählt mit seinem Ring die Fee mit dem N<strong>am</strong>en „Die<br />

Stille“. Jene Fee, die ihm schon so lange gefolgt, die ihm im Angesicht der Toten jedesmal begegnet<br />

ist und den Ring von ihm gefordert hat. Sie wohnt <strong>am</strong> Grunde eines Sees, mitten im Schneegebirge:<br />

das Ziel seiner Sehnsucht ist das Abtauchen in die Bewusstlosigkeit.<br />

„Vielleicht sind wir alles<strong>am</strong>t dieselbe Seele von verschiedenen Zentren betrachtet, in verschiedenen<br />

Stadien.“ So schreibt Balázs im August 1911 an Lukács. „Es sind s<strong>am</strong>t und sonders aufeinander aus<br />

der Ferne zufließende Flüsse, den See aber habe ich noch nicht gefunden.“ 98 Und schon im Mai<br />

1910 spricht er, Lukács an Gespräche über eine neue, an das Mittelalter anknüpfende Kultur<br />

erinnernd, von der „Einheit“ als einer „Erscheinungsform dessen, dass die Dinge auf eine Ebene<br />

93 Ebd., S. 124.<br />

94 Ebd., S. 128. Der Kelch, dessen Auge den Blick in die Welt ermöglicht, ist dem Motiv des „Spiegel - Guck in die<br />

Welt“ verwandt, der in der ungarischen Märchentradition verbreitet ist. „Oh, da sah man bis auf das letzte<br />

Tüpfelchen alles, was unter dem Himmelszelt geschah.“ (Siehe das Märchen von den „beiden goldhaarigen<br />

Geschwistern“, in: Gyula Ortutay (Hg.), Ungarische Volksmärchen. Berlin: Rütten & Loening, 1957, S. 128)<br />

95 Ebd., S. 130.<br />

96 Ebd. S. 140.<br />

97 Ebd.<br />

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