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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Ist Balázs’ aber Parteinahme für das visuelle Erleben und gegen eine filmische Ästhetik, die auf eine<br />

Syntax symbolischer Zeichen und d<strong>am</strong>it letztlich doch auf sprachlicher Mitteilung beruht, wirklich nur<br />

eine Mystifizierung des Produktionszus<strong>am</strong>menhangs, eine Verschleierung der Technik, die jene<br />

„Kontinuität“ erst herstellt?<br />

Balázs’ „Berührung der Seelen“, die Unmittelbarkeit leiblichen Ausdrucks, die er fordert, kennt nur<br />

das Medium des Auges, ist eine Berührung durch Bilder, bloße „visuelle Korrespondenz“. 68 Diese<br />

Vereinigung in Distanz, in einem „mimische[n] Dialog, der ohne Worte einen lebendigen Kontakt mit<br />

dem Partner schafft“ 69 , sieht Balázs nicht nur zwischen den Protagonisten der Filmhandlung, sondern<br />

auch zwischen der imaginären Filmwirklichkeit und dem Betrachter. Es ist dieses Beziehungsdreieck,<br />

an dem auch die filmisch erfahrene Dingwelt partizipiert, und das Balázs’ zentrale filmtheoretische<br />

Kategorie des sichtbaren Menschen bestimmt: die „Physiognomie“.<br />

11.3 Vom „anderen Zustand“:<br />

Großaufnahme und Physiognomie<br />

„Was ist dieser ‘physiognomische Eindruck’, dieses ‘symbolische Gesicht’ der Dinge?“ 70 , fragte<br />

Robert Musil schon 1925 in seinem Essay über den sichtbaren Menschen, ein Aufsatz dessen<br />

Bedeutung für das Verständnis von Balázs’ Ästhetik des Kinos bislang kaum zur Kenntnis<br />

genommen worden ist. Das mag paradoxerweise daran liegen, das Musil „Balázs’ Buch eine<br />

Bedeutung, die weit über den Film hinausreicht“ 71 zugemessen, und es als Brücke zum Verständnis<br />

des „Kunsterlebnis“ überhaupt genutzt hat: „Die Frage, ob der Film eine selbständige Kunst sei oder<br />

nicht, bei Balázs der Ausgangspunkt für Bemühungen, ihn zu einer zu machen, regt Fragen an, die<br />

allen Künsten gemeins<strong>am</strong> sind.“ 72 D<strong>am</strong>it hat Musil freilich die filmtheoretische Diskussion verlassen.<br />

Er macht keinen Hehl daraus, dass ihn Balázs’ Erkenntnisse über die Ästhetik des Films weniger<br />

interessieren, als die Fragen, die diese Ästhetik auch an die Literatur zu stellen vermag. Es erscheint<br />

ihm ausgemacht, dass die Erscheinung der neuen Kunst des Films immer unterhalb des Niveaus der<br />

gleichzeitigen Literatur liegen wird. Er widerspricht Balázs’ plakativer, wenn auch von ihm selbst bald<br />

68<br />

Balázs, „Der sichtbare Mensch“, S. 63.<br />

69<br />

Ebd., S. 140.<br />

70<br />

Robert Musil, „Ansätze zu neuer Ästhetik. Bemerkungen über eine Dr<strong>am</strong>aturgie des Films“, in: ders.,<br />

Ges<strong>am</strong>melte Werke 8. Reinbek: Rowohlt, 1978, S. 1142.<br />

71 Ebd., S. 1138.<br />

72 Ebd.<br />

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