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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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dem neuen Medium, wie Heinz-B. Heller in seinem Buch über Literarische Intelligenz und Film<br />

deutlich macht. 26 Einer produktiven Wahrnehmung der neuen ästhetischen Möglichkeiten standen<br />

dabei einerseits traditionelle Kulturvorstellungen im Wege 27 , andererseits aber auch die Einschätzung,<br />

ein „revolutionärer Film in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft [sei] unmöglich, ihn zerreißen<br />

die Filmprüfungsstellen“ 28 , wie es in einer Antwort auf Balázs’ Artikel hieß. Erst Anfang 1926 k<strong>am</strong><br />

es, vorbereitet durch Willi Münzenbergs Aktivitäten im Rahmen der Internationalen Arbeiterhilfe<br />

(IAH), zur Gründung der Prometheus-Film GmbH, an der die KPD und die IAH jeweils zu einem<br />

Drittel beteiligt waren. D<strong>am</strong>it war nicht nur der Vertrieb sowjetischer Filme gesichert, sondern auch<br />

„die materiellen Voraussetzungen für eine eigene proletarische Filmproduktion auf deutschem<br />

Boden“. 29 Nur die wenigsten Filme, die die Prometheus produzierte, unternahmen freilich ernsthaft<br />

den Versuch sich proletarischen Stoffen anzunehmen, oder gar mit neuen Formen filmischer<br />

Ästhetik 30 zu experimentieren. Die meisten Streifen dienten lediglich als Kompensationsfilme für die<br />

Importe aus der Sowjetunion.<br />

Von einem „revolutionären Film“ war 1922 in der Realität weder in Berlin noch in Wien die Rede.<br />

Eine Revolutionierung des Mediums aber zu einer eigenständigen visuellen Kultur will Balázs nun zu<br />

seiner Lebensaufgabe machen. Am 16. Oktober 1922 blickt er auf die ersten drei Jahre in Wien<br />

zurück, in denen er, nach anfänglichem Zögern, auch der kommunistischen Bewegung wieder<br />

praktisch näher gekommen war. 31<br />

Mit diesem Eintrag endet sein Tagebuch für viele Jahre und er wird es nie für längere Zeit wieder<br />

aufnehmen. Es scheint, dass seine Suche wenigstens ein Ziel gefunden hat: „Ich will das große<br />

Massenspiel der Zukunft erschaffen! Das ist meine Berufung! Ineinandergreifende Visionen türmen<br />

26<br />

Heller, Literarische Intelligenz und Film, S. 145-156.<br />

27<br />

Vgl. dazu z.B. Clara Zetkin, „Gegen das Kinounwesen“, in: Der Sozialdemokrat, 11.12.1919, S. 6.<br />

28<br />

Barthel-Basker, “Das proletarische Kino“, in: Die Rote Fahne, 13.11.1922 (Abend-Ausgabe).<br />

29<br />

Heller, Literarische Intelligenz und Film, S. 153.<br />

30<br />

Heller bewertet freilich die ges<strong>am</strong>te Filmproduktion der Weimarer Republik, die Filme der Prometheus<br />

eingeschlossen, äußerst kritisch: vor dem Hintergrund einer immer wieder auf das Zauberwort Eisenstein<br />

verweisenden, nebulös bleibenden Vorstellung der „emanzipatorisch kognitiven Möglichkeiten des Mediums“<br />

(S.149), das es verstünde „neue, kognitive Prozesse zu initiieren, soziale Erfahrungen und Phantasien im Publikum<br />

auf eine neue Art zu artikulieren und zu organisieren“ (S. 154).<br />

31<br />

So heißt es z.B. <strong>am</strong> 12. Juli 1921 im Tagebuch: „Heute bekommt jede geistige Tätigkeit, die nicht irgendwelche<br />

Wurzeln in der Bewegung besitzt, den Charakter eines anachronistischen Spiels, des Briefmarkens<strong>am</strong>melns“<br />

(Balázs, Napló 1914-1922, S. 483).<br />

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