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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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„Das Wort verliert allmählich an Kredit“ 9 , hatte Egon Friedell schon 1913 geschrieben. Die<br />

sprachlos aus dem Kriege Gekommenen, expressionistisch St<strong>am</strong>melnden, verströmten 1919 noch<br />

einmal ihre Energie, in einem „tragische[n] Zwischenspiel“ 10 , wie Worringer es schon ein Jahr später<br />

nannte, in den zerschlagenen Revolutionen und kulturpolitischen Debatten, in den ekstatischen<br />

Visionen vom „Rat der geistigen Arbeiter“ und in den Aufbruchsphantasien der Neugründungen, vom<br />

Bauhaus in Weimar bis hin zu Anthologien, Jahrbüchern und Zeitschriften wie Die neue<br />

Schaubühne. Die Titel solcher publizistischen Unternehmungen waren Progr<strong>am</strong>m: 1919<br />

veröffentlichte Kurt Pinthus, der schon 1913 Das Kinobuch herausgegeben hatte, seine Anthologie<br />

expressionistischer Dichtung unter der Überschrift „Menschheitsdämmerung“. 11<br />

Nicht zuletzt in der neuen Schaubühne, wo Balázs im Sommer 1919 seine Vision über „Das<br />

Theater des Volkes“ plazieren konnte, wurde über Bühne und Magie, Wort und Gebärde,<br />

Massenseele und Mythos 12 diskutiert. Dort entbrannte zwischen 1919 und 1921 auch eine Debatte<br />

über das Verhältnis von Kino und Theater, eine Debatte, in der die fl<strong>am</strong>menden Fürsprecher des<br />

Kino in den Vordergrund traten. 13<br />

Carl Hauptmanns Aufsatz über Film und Theater, mit dem die Debatte ihren Ausgang nimmt, liest<br />

sich wie eine formelhafte Beschwörung. Das Kino finde wieder zurück zur „Urmitteilung durch<br />

Gebärde“ 14 , denn: „Das Reich der Gebärde ist ein kosmisches Reich. Es ist das Urbereich [sic] aller<br />

seelischen Mitteilung überhaupt“. 15 Hauptmann erhebt den „Gebärdenwert“ zum „Urwert“ 16<br />

9 Friedell, „Prolog vor dem Film“, S. 205.<br />

10 Worringer, Künstlerische Zeitfragen, S. 16.<br />

11 Kurt Pinthus (Hg.), Menschheitsdämmerung. Ein Dokument des Expressionismus. H<strong>am</strong>burg: Rowohlt, 1959<br />

[1919]. „Alle Gedichte dieses Buches entquellen der Klage um die Menschheit, der Sehnsucht nach der<br />

Menschheit.“ (S. 25) „Diese zukünftige Menschheit, wenn sie im Buche ‘Menschheitsdämmerung’ (‘Du Chaos-<br />

Zeiten schrecklich edles Monument’) lesen wird, möge nicht den Zug dieser sehnsüchtigen Verd<strong>am</strong>mten<br />

verd<strong>am</strong>men, denen nichts blieb als die Hoffnung auf den Menschen und der Glaube an die Utopie.“ (S. 32)<br />

Vgl. auch Alfred Wolfenstein (Hg.), Die Erhebung. Jahrbuch für neue Dichtung und Wertung. Berlin: S. Fischer,<br />

1919.<br />

12 Ähnlich wie Balázs hatte 1920 auch Max Adler vom Theater einen neuen Ausdruck der „Massenseele“<br />

gefordert, der „Mythenbildung“. „Vielleicht ist die Zwangseinung, zu der uns Krieg und Revolution<br />

zus<strong>am</strong>menschmiedeten, nur ein zielbewußter Trick des Zeitgeistes: eine Schule der Massengeselligkeit, die uns,<br />

wie einst in Zeiten unzerteilter Kulturen, dem großen Mythos näherbringt.“ (Max Adler, „Masse und Mythos“, in:<br />

Die neue Schaubühne, Jg. 2, H. 9 (1920), S. 233)<br />

Über das Theater als „Form unsres - magis chen - Daseins“ schrieb auch Max Hermann-Neisse („Entzweihung und<br />

Magie“, in: Die neue Schaubühne, Jg. 1, H. 2 (1919), S. 36).<br />

13 Paul Kornfeld und August Wolf als Kritiker des neuen Mediums standen Autoren wie Carl Hauptmann, Iwan<br />

Goll, Friedrich Sieburg, Rudolf Leonhard und Herausgeber Hugo Zehder gegenüber.<br />

14 Carl Hauptmann, „Film und Theater“, in: Die neue Schaubühne, Jg. 1, H. 6 (1919), S. 169.<br />

15 Ebd., S. 168.<br />

16 Ebd., S. 172.<br />

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