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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Traumhintergrundes, indem er die Bedeutung des „oralen Erleben vermittels der Urhöhle“ 100 dem<br />

visuellen voranstellt. „Der Traumhintergrund des Erwachsenen scheint daher das archaischste<br />

Lusterlebnis des Menschen zu sein.“ 101 Spätestens im zweiten Monat ist es das Gesicht, wie auch<br />

Selma Fraiberg betont: „das Antlitz seiner Mutter“. 102 Zunächst sind es vor allem Augen und die<br />

Fläche der Stirn, später ist es das ganze Gesicht, dessen Anblick sich mit der Befriedigung verbindet,<br />

und auf dem sich, wie auf magischen Befehl, dasselbe Lächeln finde, das auch das Kind immer<br />

häufiger zeigt, wenn das Gesicht der Mutter erscheint, wenn Wahrnehmungsidentität mit dem<br />

gewünschten Erleben hergestellt wird, und das erste konstante Objekt aus dem Nebel der<br />

ununterscheidbaren Reize auftaucht. 103 So steht das Gesicht, die Physiognomie des menschlichen<br />

Antlitzes <strong>am</strong> Beginn jeder visuellen Vorstellung, wie <strong>am</strong> Beginn des Traumes. Und wenn Lewin und<br />

Baudry zuzustimmen ist, dass „die Traumleinwand ein Überrest der ältesten Erinnerungspuren“ 104 sei,<br />

dann steht d<strong>am</strong>it nicht nur die mütterliche Brust, sondern vor allem das menschliche Gesicht <strong>am</strong><br />

Beginn der Möglichkeit des Kinos, der Projektion.<br />

Jean Epstein 105 , der zur gleichen Zeit wie Balázs begann, sich theoretisch mit dem Film zu<br />

beschäftigen, gehörte zu den ersten, die die Struktur von Film und Traum genauer miteinander<br />

verglichen. „Die Ausdrucksformen, deren sich die Traumsprache bedient und die ihre tiefe<br />

Aufrichtigkeit ermöglichen, finden ihre Analogien im Stil des Films.“ 106<br />

Das Verhältnis von Traum und Film steht auch im Mittelpunkt der Auseinandersetzung von Christian<br />

Metz mit dem imaginären Sigifikanten 107 und Jean Louis Baudrys Aufsätzen über das Dispositiv des<br />

Kinos. Uwe Gaubes Versuch, Film und Traum (unter Bezug auf Susanne K. Langers<br />

Kunstphilosophie und Alfred Lorenzers Kritik des psychoanalytischen Symbolbegriffs) als<br />

100<br />

René A[rpad] Spitz, Nein und Ja. Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Stuttgart: Klett, 1959, S.<br />

66.<br />

101<br />

Ebd., S. 66f.<br />

102<br />

Fraiberg, Die magischen Jahre, S. 36.<br />

103<br />

Spitz sieht im Erkennen des Gesicht-Schemas durch den dreimonatigen Säugling den ersten „Objekt-Vorläufer“<br />

und in der <strong>Konstanz</strong> dessen Wahrnehmung, die noch nicht zwischen einem Gesicht und einer Maske<br />

unterscheidet, die „Vorstufe der Objektbeziehung“ (Spitz, Die Entstehung der ersten Objektbeziehungen, S. 28).<br />

104<br />

Baudry, „Das Dispositiv:“, S. 1065.<br />

105<br />

Jean Epstein (1897-1953), studierte zunächst Medizin, bevor er begann als Filmtheoretiker und Filmautor zu<br />

arbeiten. Übernahm (wie auch Léon Moussinac) von Louis Delluc den Begriff des Photogénie, den er animistisch<br />

auflud.<br />

106<br />

Zitiert nach Morin, Der Mensch und das Kino, S. 91.<br />

107<br />

Dies gilt insbesondere für sein letztes Buch Le Signifiant imaginaire [engl. Ausgabe: The Imaginary Signifier.<br />

Psychonalysis and the Cinema]. Anders als seine vor allem semiotisch orientierten Studien zuvor (siehe Christian<br />

Metz, Semiologie des Films. München: Fink, 1972), versucht Metz hier, teilweise an Jean Louis Baudry<br />

anknüpfend, das Kino als Wahrnehmungssituation, und d<strong>am</strong>it szenisch zu verstehen.<br />

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