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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Mediums: „Neue Dr<strong>am</strong>enform: auch die inneren Bilder zu zeigen. Die Kämpfe, die im Innern Dialoge<br />

sind. Die Wirkungen, die die im Inneren gesehenen Bilder, manchmal Visionen erzeugen - müssen<br />

draußen gespielt, sichtbar gemacht werden.“ 83<br />

Und immer wieder erscheint die Sehnsucht nach einem Akt der Initiation, des Übergangs, der<br />

Grenzerfahrung. Die Elemente des Rituals und der Magie, die seit Arnold van Genneps<br />

vergleichender und systematisierender Studie der rites des passages 84 als Übergangsriten<br />

beschrieben werden, sie bilden in Balázs poetischen Versuchen bis hin zu seinen filmtheoretischen<br />

Schriften einen untergründigen und zugleich universellen Bezugsrahmen. Der rituelle Tod der<br />

Initianden, ihre Isolation von der Welt, allein oder in Gruppen, unterwiesen von mit Geheimwissen<br />

ausgestatteten (intellektuellen) Meistern, Erfahrungen in Zuständen der Bewusstlosigkeit, in<br />

Rauschzuständen und Schwindelgefühlen, begleitet von Träumen und Visionen, Maskenspielen und<br />

Tänzen, das ritualisierte Heraustreten aus der Zeit (und das Eintreten in die Dauer), die Illusion der<br />

Schwerelosigkeit, sie gipfeln in embryonalen Allmachtsphantasien und im Erleben einer projektiven<br />

Symbolbildung.<br />

Balázs’ Imagination solcher Übergangszustände erweist sich weniger als Antizipation eines Übertritts<br />

in eine andere Welt denn als Bewusstwerdung der bestehenden. Balázs’ „Todesästhetik“ kündigt<br />

nicht das „Paradies auf Erden“ an, beschwört keine erlöste Welt, in der, wie Lukács einmal in seinem<br />

Tagebuch beiläufig schrieb, „alles Berührung und alles gleichermaßen Berührung ist“ 85 , in der alles<br />

einander in unmittelbarer, unentfremdeter Weise berührt und in Harmonie sich vereint. Dies wäre eine<br />

Welt, in der die Objekte als solche, jedenfalls als widerständige, aufhören würden zu existieren. Über<br />

Lukács’ Verhältnis zur Dingwelt, zu den Objektivationen der Kultur wie auch zu den Objekten der<br />

zweiten Natur der technischen Zivilisation wird noch zu sprechen sein.<br />

Rituale des Übergangs sind für Balázs zugleich mehr als eine kulturelle Form sozialer Technik, sind<br />

mehr als bloß Rituale der Bewältigung von existenziellen, zyklischen oder periodischen,<br />

biographischen und sozialen Krisenmomenten, Brüchen und Reifungsprozessen. Sie geraten ihm zu<br />

einer kulturellen Technik der Existenz schlechthin in einem notwendig entfremdeten, seiner selbst nie<br />

vollkommen bewussten Leben des Alltags. „Die Menschen bewegen sich immer <strong>am</strong> Ende der Welt,<br />

83 Balázs, Napló 1903-1914, S. 357. Eintrag vom 8.11.1906.<br />

84 Arnold van Gennep, Übergangsriten (Les rites de passage). <strong>Frankfurt</strong>/New York: C<strong>am</strong>pus, 1986 [1909].<br />

85 Georg Lukács, Tagebuch 1910-11. von Georg Lukács. Berlin: Brinkmann & Bose, 1991, S. 10. Eintragung vom<br />

8.5.1910.<br />

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