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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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das Bild bleibt nur lebendig, wenn es einverleibt wird. [...] Man kann es wohl so erklären, daß die<br />

Vereinigungsakte des Körpers mit Dingen stets mit deren Vernichtung bezahlt werden müssen,<br />

insofern aber der Vorstellung von Vereinigung im Innersten widersprechen.“ 84 So ist die Augenlust an<br />

den Bildern die Utopie eines prekären Gleichgewichts, einer „ewigen Tag- und Nachtgleiche, einer<br />

Balance zwischen den orgiastischen Energien, die auf Nähe, den Kontakt und das<br />

Verschlingenwerden aus sind, und jenen anderen der Besonnenheit, die Dauer durch distanzierte<br />

Beharrlichkeit anstreben.“ 85<br />

Kontakt auf Distanz lautet die Formel, die auch Christian Metz für die „Leidenschaft der<br />

Wahrnehmung“ 86 , die Lust des Voyeurs konstatiert: Der Voyeur achtet peinlich darauf, einen<br />

Abstand zu wahren, einen leeren Raum zwischen seinem Objekt und seinem Auge. Sein Blick heftet<br />

das Objekt in der richtigen Entfernung fest, so wie der Zuschauer im Kino, der darauf achtet, nicht zu<br />

nah und nicht zu weit von der Leinwand entfernt zu sitzen. Diese Entfernung darf nicht aufgehoben<br />

werden. Die Gefahr, vom Objekt überwältigt zu werden, wäre gleichbedeutend mit der, das Objekt<br />

selbst zu verschlingen, es nicht mehr sehen zu können. 87 So hält die Augenlust die Waage zwischen<br />

dem erotischen Vereinigungswunsch und dem Wunsch nach intakten Körpergrenzen.<br />

Während Balints objektschwacher Typus selbst im philobatischen Erleben der Angstlust, des „flow“,<br />

noch auf ein oknophiles Objekt (der Pilot auf den Steuerknüppel, der Löwenbändiger auf die<br />

Peitsche, der Seiltänzer auf die Stange, der Cowboy auf den Revolver 88 ) angewiesen ist, scheint der<br />

Zuschauer des Kinos ohne phallisches Instrument auszukommen. Für seinen Flug durch die<br />

„freundlichen Weiten“ genügt die Identifikation mit der schwerelosen K<strong>am</strong>era, mit der eigenen<br />

visuellen Kapazität. So macht sich der Zuschauer selbst zum Instrument, assimiliert „der Mensch [...]<br />

sich die Maschine zu einem Organ“. 89 Doch diese Assimilation ist nur möglich um den Preis der<br />

lustvollen Selbstpreisgabe an den Apparat des Kino. „In einer faszinierten, Lust mit Angst<br />

mischenden Bewegung, ‘er-fährt’ dieser Blick buchstäblich in travelling, Zoom und Schnitt lustvoll<br />

und zugleich passiv-ohnmächtig den Raum. Die K<strong>am</strong>era, das Instrument, das beherrscht und<br />

gesteuert wird, kann er nicht mehr von seinem ‘eigenen’ Blick unterscheiden, die Herrschaft, die ein<br />

84<br />

Ebd., S. 1258.<br />

85<br />

Ebd., S. 1259.<br />

86<br />

Metz, The Imaginary Signifier, S. 58.<br />

87<br />

Siehe ebd., S. 60.<br />

88<br />

Vgl. Balint, Angstlust und Regression, S. 24.<br />

89<br />

Béla Balázs, „Trotz alledem!“, in: ders., Schriften zum Film. Band 2, S. 264f [zuerst in: Filmtechnik, 22.2.1930, S.<br />

7-9].<br />

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