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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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eigenen Tat verstopft sind, dann öffnen sich für ihn die Schleusen des Mythos, des Traumes, der<br />

Magie.“ 58<br />

Auch Hans-Thies Lehmann stellt „die Kinoerzählung“ in die Nachfolge der „Mythen und<br />

Legenden“. 59 Doch er unterscheidet zwischen Mythen im Kino und dem Kinomythos sui generis.<br />

Während die Verbreitung nationaler, sozialer oder politischer Mythen, wie „die Geburt der USA, der<br />

Sieg des mutigen Einzelgängers, die Revolution“ 60 als „Mythos im Kino“ nicht mehr sei, als die<br />

Bearbeitung bestehender Mythen, die vom Kino verstärkt, mobilisiert und abgesichert werden<br />

können, so identifiziert er den Film als eine originäre mythische Struktur, die der „Form der<br />

Weltbewegung vor und neben der begrifflichen Logik“ entspräche: der „Faszination <strong>am</strong> imaginären<br />

Bildraum“. 61 Der Film als Medium, das Kino als Dispositiv der Wahrnehmung vermag jeden Stoff in<br />

eine mythische Erzählung zu verwandeln: „Kinomythos ist ein Bündel optischer Zeichen, die einen<br />

Raum konstituieren - den Raum des Westens, das Labyrinth der Großstadt der Gangsterfilme, die<br />

technisierte Weltraumszenerie der Science Fiction.“ 62<br />

Hans-Thies Lehmann geht dabei von einer Einheit mythischer und ritueller Strukturen aus, die nicht<br />

als selbstverständlich vorauszusetzen ist. Zur Verschmelzung von Geschichte und Erzählweise, von<br />

Erlebnisinhalt und Erlebnisqualität kommt es, wie schon zu sehen war, auf einem anderen Niveau<br />

affektiver Besetzung im Märchen weit eher, als in Sage und Mythos; also jenen traditionellen<br />

Erzählformen, in denen die empirische Welt und das Jenseitsreich miteinander in dr<strong>am</strong>atischem<br />

Konflikt stehen, in denen Schicksal und schuldhafte Verstrickung die Helden auf tragische Weise<br />

beherrschen. Claude Lévi-Strauss hat hervorgehoben, dass Mythos und Ritual traditionell in einem<br />

komplementären Verhältnis zu einander stehen. Der Mythos erklärt den Ritus, begründet es,<br />

kommuniziert seine Notwendigkeit. Während der Ritus entgrenzende Erfahrung bietet, begrenzt der<br />

Mythos dessen anarchischen Rausch. Während im Ritual sich die Akteure vergessen, erinnert der<br />

Mythos an das, was nicht zu ändern ist. Während im Ritual alles sich in alles verwandeln kann,<br />

erzählt der Mythos von der Schuld, die an den Met<strong>am</strong>orphosen haftet. Und während im Ritual die<br />

Zeit aufgebrochen wird, schließt sie sich im Mythos zum Kreis der zyklischen Wiederkehr. „Die<br />

mythische Geschichte zeigt uns also das Paradox, von der Gegenwart zugleich losgelöst und mit ihr<br />

58 Morin, Der Mensch und das Kino, S. 111.<br />

59 Hans-Thies Lehmann, „Die Raumfabrik - Mythos im Kino und Kinomythos“, in: Karl-Heinz Bohrer, Mythos und<br />

Moderne. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1983, S. 575.<br />

60 Ebd., S. 579.<br />

61 Ebd., S. 573.<br />

62 Ebd., S. 579.<br />

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