12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

in dem der Film dahintreibt, kennt <strong>am</strong> Ende keinen Gegensatz mehr zwischen empirischer und<br />

transzendenter Wirklichkeit. „Es ist, als sei das Medium vom chimärischen Wunsch beseelt, das<br />

Kontinuum physischer Existenz zu erstellen.“ 45 Balázs näher, als er es zugibt, endet Kracauers<br />

Theorie des Films in der Perspektive auf einen diegetischen Film, der seine Narration aus der<br />

physischen Realität schöpft, und der sich im Fluss seiner Erzählung immer wieder „in den Dschungel<br />

der materiellen Phänomene hineinwagt, auf die Gefahr hin, sich unrettbar darin zu verlieren, wenn er<br />

nicht mittels großer Anstrengungen zur Landstraße zurückfindet, die er verlassen hat.“ 46 Ein Film<br />

also, der sowohl das Theater als auch den Roman hinter sich gelassen, der die Grenzen zwischen<br />

Realität und Fiktion, zwischen Dokumentation und Erzählung durchlässig hält.<br />

Auch Balázs wird, wie sich noch zeigt, dem „absoluten Film“ nur eine experimentelle Rolle in der<br />

Entwicklung des Kinos zuweisen. Die Met<strong>am</strong>orphosen des Zeichentrickfilms erscheinen ihm eher<br />

eine Illustration, eine abstrakte Demonstration dessen zu sein, was Edgar Morin, Balázs folgend, als<br />

„Anthropokosmomorphismus“ 47 bezeichnet hat. „Met<strong>am</strong>orphosen setzen ein fluides Universum<br />

voraus [...] wo die Dinge nicht in ihrer Identität erstarrt sind, sondern an einer großen kosmischen<br />

Bewegungseinheit teilnehmen. [...] der Tod befruchtet das Leben, der Mensch befruchtet die Natur<br />

durch seinen Tod (Opfer) und legt die verschiedenen Stufen seines Daseins mit Hilfe jener echten<br />

Wiedergeburten zurück, die Initiation genannt werden.“ 48<br />

Seinen „Zauber“ aber erweist das Kino in der magischen Aufladung der beobachteten empirischen<br />

Realität und ihrer Transformation in eine Welt pansymbolistischer Homogenität.<br />

Die Lust <strong>am</strong> „kleinen Tod“, der diese kosmische Solidarität bestätigen soll, treibt das Medium immer<br />

weiter auf dem Weg einer Erprobung der Spannung zwischen Realität und Phantastik, die auf beiden<br />

Seiten nicht abreißen darf.<br />

44 Ebd., S. 109.<br />

45 Ebd. „Den Begriff des Kontinuums konnte Kracauer schon in Béla Balázs’ erster Filmtheorie, Der sichtbare<br />

Mensch oder Die Kultur des Films finden, die er selbstverständlich kannte, aber merkwürdig wenig zitiert.“ (Heide<br />

Schlüpmann, Ein Detektiv des Kinos. Studien zu Siegfried Kracauers Filmtheorie. Basel/<strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>:<br />

Stroemfeld, 1998, S. 112) Kracauer wollte, wie Heide Schlüpmann feststellt, nicht wie Balázs zu einer<br />

präsymbolischen Ursprache zurückfinden, sondern gerade für die „‘seelenlosen’ Körper“ (S. 113), für die Physis<br />

Partei nehmen.<br />

46 Kracauer, Theorie des Films, S. 336 und identisch S. 392.<br />

47 Morin, Der Mensch und das Kino, S. 85ff.<br />

48 Ebd., S. 85.<br />

333

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!