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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Die höchste Steigerung dieser Phantasie der Verschmelzung mit dem Raum findet sich <strong>am</strong> Ende des<br />

Essaybandes in der Utopie einer Allmacht verleihenden Blindheit, einer Beschleunigung über die<br />

Grenzen unserer Wahrnehmung hinaus. Balázs führt das Beispiel von Insekten an, deren „Sichtkreis<br />

so beschaffen ist, daß sie mit einem Flügelschlag über ihren Horizont hinausfliegen. Jede ihrer<br />

Bewegungen ist ein Sturz ins Ungewisse.“ 29 Balázs erscheint diese Blindheit des unbedingten<br />

Vertrauens, des sich Hinein-Fallenlassens in den Kosmos das „wunderbare [...] Lebensgefühl des<br />

ewigen Abenteuers“ 30 schlechthin. Und er gebraucht ein Bild dafür, das erst im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

seiner Filmtheorie verständlich werden wird. „Denn die Umgebung, die wir sehen können, wäre nur<br />

wie auf die Innenseite unserer geschlossenen Augenlider gemalt. Ein neues Sich-Anvertrauen dem<br />

Unbekannten müßte entstehen. Vielleicht würden auch unsere Gesichter dann so schön werden, wie<br />

die Gesichter der Blinden?“ 31<br />

10.2 Vom Jahrmarkt zum Kino: Angstlust<br />

Bei seinen Vermutungen über die Angstlust fand Michael Balint ein reiches Feld symptomatischer<br />

Erfahrungen beim Studium der Welt des Jahrmarktes und seiner Attraktionen. Der Jahrmarkt als<br />

klassischer Ort der Regression erlaubt es auch Erwachsenen allen Wünschen nach<br />

Entgrenzungserfahrungen nachzugehen, vom obsessiven Genuss von Süßwaren und Alkohol bis hin<br />

zum Schwindelgefühl, zum „kleinen Tod“ auf der Achterbahn. 32 Hier ist das Verbotene erlaubt, hier<br />

gibt es nichts „Kindisches“, weil alles an Kindheitsphantasien appelliert. Der Jahrmarkt und der<br />

Zirkus, die Gauklerbühnen und die „Fahrgeschäfte“, die <strong>am</strong>bulanten Händler und reisenden Buden<br />

sind ein sanktionierter Ort außerhalb der Gesetze der Normalität. Der Jahrmarkt ist der klassische<br />

Ort der nach-rituellen Gesellschaft, an denen Surrogate des Sch<strong>am</strong>anismus, Zauberei und Blick in<br />

ferne Länder, Exotisches und rauschhafte Erlebnisse geboten werden, an denen die Welt des Traums<br />

und der Wunder in den Alltag einbrechen sollen, oder wenigstens ihre Fetische und Ersatzstoffe<br />

präsentiert werden. Der Ort, an dem die Regeln verletzt werden, um sie dadurch um so<br />

wirkungsvoller zu bestätigen. So wie vormals der Ritus begrenzte und organisierte Gelegenheit für die<br />

29<br />

Ebd., S. 99.<br />

30<br />

Ebd., S. 100.<br />

31<br />

Ebd.<br />

32<br />

Vgl. Alfred Lehmann, Zwischen Schaubuden und Karussells. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Schöps, 1952, S. 36ff.: „Das<br />

Leben ist eine Rutschbahn.“<br />

329

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