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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Im Flug durch die „freundlichen Weiten“ bedeutet nur der mögliche Aufprall eines feindlichen<br />

Objektes Gefahr, deren kunstvolle Vermeidung „Angstlust“ erzeugt. Distanz zu halten gilt es sowohl<br />

den Dingen gegenüber, wie den Menschen, deren Beziehungen eines niemals werden dürfen, nämlich<br />

„klebrig“. Der angestrebte Zustand des Schwebens in einem homogenen Medium ist mit dem von<br />

Mihaly Csikszentmihalyi und Victor Turner beschriebenen „flow“-Erlebnis 23 durchaus identisch. So<br />

lebt der Philobat im Extremfall in einem durch fortwährenden Wiederholungszwang<br />

gekennzeichneten, nicht zu beendenden Initiationsritual. In seiner kommunikativen Form, als kulturelle<br />

Substitutierung des Rituals in der modernen Gesellschaft hingegen, die Victor Turner als Phänomen<br />

der „communitas“ zu beschreiben versuchte, bleibt das Erlebnis des „flow“ an jene Ambivalenz von<br />

Progression und Regression gebunden, in der schöpferische Imagination und vergessenmachende<br />

Bewusstlosigkeit einander bedingen und fördern.<br />

In seinen Essays über das Reisen beschreibt Balázs die verschiedenen Räume, in denen sich „die<br />

Seele wachsend dehnt“ 24 , Räume, die der Mensch sich anverwandelt, die er als Ausdehnung des<br />

eigene Selbst erfahren kann, Räume die nicht nur gehört oder gesehen werden, sondern in denen sich<br />

das Selbst aufzulösen glaubt. Ob er auf dem Rücken liegend in einem Boot dahintreibt, oder in die<br />

Nacht hineinlauscht: es geht darum, sich in ein Medium zu verlieren. „Und legst du dich auf dem Boot<br />

auf den Rücken, verschwindet der Erdball hinter dir. Du schwimmst im unendlichen blauen Raum.<br />

Taumel des Sonnensystembewußtseins.“ 25<br />

Der vollkommene Raum ist der Raum der Stille. Denn alle Dinge schweigen dasselbe Schweigen. „In<br />

der Gemeins<strong>am</strong>keit der Stille sind die Dinge einander zugekehrt und merken den Menschen nicht<br />

mehr.“ 26 Dann gibt es nur noch eine Stille, denn „jede Stille scheint unterirdisch verbunden zu sein mit<br />

der Ges<strong>am</strong>tstille der Welt.“ 27 Die Stille ist uns immer schon bekannt. Sie ist hörbare Totalität, denn<br />

auch sie ist unbegrenzte Möglichkeit. „Das Wunderbare, Erlösende an dieser tiefen Stille ist, daß sie<br />

den Raum um mich erweitert. [...] In der Stille höre ich so weit und das Leben streckt und dehnt sich<br />

in mir. Denn so weit ich höre, gehört der Raum zu mir, wird mein Raum.“ 28<br />

23 Siehe Kapitel 6.5.<br />

24 Balázs, Der Phantasie-Reiseführer, S. 64.<br />

25 Ebd., S. 47.<br />

26 Ebd., S. 53.<br />

27 Ebd., S. 54.<br />

28 Ebd., S. 64.<br />

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