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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Tagebuch zum erstenmal davon die Rede, sich an einem “Kinostück” zu versuchen. Von einem<br />

Schauspieler n<strong>am</strong>ens Kemenes dazu ermuntert, schreibt Balázs eine humoristische Skizze. Das ganze<br />

ist ihm nur eine kurze Erwähnung wert und bleibt folgenlos. “Kann man etwas Humoristisches<br />

schreiben, das von einer anderen geistigen Kaste der Menschen womöglich ernst genommen<br />

wird?” 68 , fragt er sich und d<strong>am</strong>it ist das Thema vorerst beendet. Erst im Oktober 1920 ist im<br />

Tagebuch wieder von einem Kinostück die Rede, eine Geschichte um einen Detektiv, der in einem<br />

Trancezustand der Räuber ist, sich selbst verfolgt und schließlich auch erwischt. “Die Idee st<strong>am</strong>mt<br />

von Gerhart Eisler. 69 Ich soll es machen und wir machen Halbe-Halbe und wir werden Millionäre,<br />

schnell, noch bevor dank der Weltrevolution jeder Reichtum gegenstandlos wird.” 70 Auch daraus ist<br />

offenbar nichts geworden.<br />

Joseph Zsuffa geht davon aus, dass auch Balázs’ Kinderbuch Das richtige Himmelblau, das 1925<br />

erschien, auf ein schon im Sommer 1920 geschriebenes Film-Szenario zurückgeht. 71 Erhalten ist<br />

freilich nur die Märchenerzählung, die Geschichte eines armen Jungen, der aus selts<strong>am</strong>en Blumen eine<br />

Farbe auspresst, das “richtige Himmelblau”, mit dem er einen Himmel malen kann, an dem sich die<br />

Wolken bewegen und an dem Sonne und Mond erscheinen, aus dem es regnet und an dem Nachts<br />

die Sterne funkeln. Mit zwei Schulk<strong>am</strong>eraden, dem Mädchen Grete und Karl, einem reichen Buben,<br />

der ihn schikaniert, schließt er einen Geheimbund. Gemeins<strong>am</strong> hüten sie das Geheimnis, und doch<br />

geht ihnen das richtige Himmelblau verloren. Franzl, der Junge, erlebt schließlich eine “Traumreise”,<br />

die als reales Geschehen geschildert wird. Eines Abends, nachdem die Kinder die letzten Tropfen<br />

des “richtigen Himmelblau” verloren haben, bleibt Franzl nur noch seine “Himmelskiste”, eine alte<br />

Kiste auf dem Speicher, deren Deckel er inwendig mit der Farbe bestrichen hat und in die er sich<br />

zum Träumen legt, genauer: um den Himmel anzusehen. Da kommen Männer und tragen die Kiste<br />

fort, er schwebt davon, wie in einem Sarg, dem Himmel nah, fährt auf einem Wagen aus der Stadt<br />

hinaus, wo Bauernknechte die Kisten verbrennen wollen. Im Mondschein gelingt es ihm noch<br />

rechtzeitig, zu fliehen und den Deckel der Kiste mit sich zu nehmen. Von dicken Bauern und Hunden<br />

verjagt schwimmt er schließlich auf seinem Deckel im Fluss, wie auf einem Floß. Und da die<br />

68 Ebd., S. 328. Eintrag vom 6.8.1918.<br />

69 Gerhart Eisler, der Bruder von Hanns Eisler, gab in Wien zu dieser Zeit die Zeitschrift Kommunismus. Zeitschrift<br />

der Kommunistischen Internationale für die Länder Südosteuropas heraus, in der Lukács einige der Aufsätze<br />

veröffentlichte, die in Geschichte und Klassenbewußtsein eingingen.<br />

70 Balázs, Napló 1914-1922, S. 433. Eintrag vom 26.10.1920. Am 5. November ist noch einmal selbstbewusst von<br />

der Detektivgeschichte “Tom Browns letzter Fang” die Rede: “[I]ch glaube, dass sie, <strong>am</strong> heutigen Niveau des<br />

Kinos gemessen, ein vollkommenes Meisterwerk ist.” (Ebd., S. 436)<br />

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