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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Dingen immer genug Platz findet, um schwerelos hindurchzuschlüpfen. Wie die Helden der Märchen<br />

und wie das schwebende Auge des ungarischen Märchenerzählers, von dem Gyula Ortutay<br />

berichtet, der Anfang des Märchens vom Königssohn, der unsterblich sein wollte: “[I]rgendwo,<br />

siebenmal sieben Länder weit und noch weiter, jenseits des großen Meeres, hinter einem alten Herd<br />

in der Mauerspalte, in der Muhme Rockes siebenundsiebzigster Falte - ein weißer Floh und in<br />

dessen Mitte eine prächtige Königsstadt.” 65<br />

9.4 “Der Mantel der Träume”<br />

1921 erscheinen Balázs’ Märchen in deutscher Sprache und man beginnt sich für ihn in Wien auch<br />

als Märchenautor zu interessieren. Im September lässt Genia Schwarzwald ihn fragen, ob er zwanzig<br />

chinesische Märchen schreiben könnte, zu den Aquarellen einer Freundin, der griechischen<br />

Millionärin Marietta Lydis. Einen Verlag gibt es schon, aber auch Zeitdruck. Ein zuerst gefragter<br />

Autor in München habe nichts zustande gebracht. In drei Wochen sollen die Märchen geschrieben<br />

sein, d<strong>am</strong>it das Buch noch zu Weihnachten erscheinen kann, was freilich <strong>am</strong> Ende doch nicht ganz<br />

gelingt. Balázs reizt der “sportliche Aspekt der Sache” 66 und er schreibt zwei Märchen zur Probe.<br />

Sie gefallen sehr und schließlich kann man sich auch auf das Honorar einigen. In der Helmstreitmühle,<br />

einem Hotel in Hinterbrühl, das den Schwarzwalds gehörte, und dann in “Schloss Waisnix” in<br />

Reichenau schreibt Balázs im Oktober 1921 sechzehn Märchen, “leicht wie im Flug. In einer<br />

Vorahnung von Meisterschaft, im glücklichen reichen Herbst. Es war ein vergnügliches Spiel. Schöne<br />

Frauen haben mir dabei geholfen und auch der Kaffee und der Schnaps, mit dem ich mich (wegen<br />

der Eile) ausnahmsweise stimulierte.” 67<br />

Balázs hatte zu dieser Zeit schon begonnen, sich an Film-Szenarien zu versuchen. So wie er zuvor<br />

mit unterschiedlichem Erfolg Opern-Libretti, Pantomimen, Tanz-Dr<strong>am</strong>en und Schattenspiele<br />

geschrieben hatte, sucht er im Film zunächst eine neue, volkstümliche dr<strong>am</strong>atische Form. Stattdessen<br />

entdeckte er ein Medium, das seiner Sehnsucht nach einer pansymbolischen Ästhetik des Visuellen<br />

alle Möglichkeiten bot, praktisch und theoretisch, ästhetisch und ideologisch. 1918 war in seinem<br />

65 Ortutay, Ungarische Volksmärchen, S. 73.<br />

66 Balázs, Napló 1914-1922, S. 493. Eintrag vom 11.3.1922.<br />

67 Ebd., S. 494.<br />

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