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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Lukács hat seinen “messianischen Utopismus” 20 später zurückgenommen, das “identische Subjekt-<br />

Objekt” als “metaphysische Konstruktion” 21 kritisiert und den Begriff der “Entfremdung” wieder<br />

historisiert. Doch was er in “Der Bolschewismus als moralisches Problem” noch klar gesehen hatte,<br />

dass nämlich der Glaube an die Erlösung von abstrakter Arbeit ein unverzichtbares Element des<br />

Klassenk<strong>am</strong>pfes gewesen war, erschien ihm nun keine Rede mehr wert. Vergegenständlichung als<br />

überhistorische “unaufhebbare Äußerungsweise im gesellschaftlichen Leben der Menschen” 22 und<br />

Entfremdung als Gegensatz zwischen Wesen und gesellschaftlichem Sein des Menschen, als<br />

Verdinglichung von Herrschaft, voneinander wieder kategorial zu trennen, suspendiert den Anspruch<br />

des Proletariats auf Klassenherrschaft. Nur indem nämlich das Proletariat tatsächlich über die<br />

Verallgemeinerung abstrakter Arbeit sein partikulares Klasseninteresse hinter sich zu lassen vermöge,<br />

nur als letzte Klasse überhaupt, wäre es doch das Subjekt (und nicht nur widerständiges Objekt) des<br />

Geschichtsprozesses. Ein Widerspruch, den Lukács bis zuletzt nicht aufzulösen vermag.<br />

Verwandelt der kapitalistische Vergesellschaftungsprozess nicht nur eine endliche Menge konkreter<br />

Arbeit ein für allemal in abstrakte, sondern bringt er notwendigerweise immer wieder aufs neue<br />

konkrete Arbeit hervor, geht Vergegenständlichung als Substrat menschlicher Praxis in<br />

Verdinglichung als historische Form nicht auf, bezeichnet Entfremdung nur den immer wieder neu<br />

entstehenden krisenhaften Gegensatz zwischen den Menschen und ihren Objektivationen,<br />

verselbständigt sich schließlich immer wieder aufs neue ein Gleichgewicht von Macht und Interessen<br />

zu neuen Formen von Herrschaft, so bleibt das “Proletariat” an die partikulare Perspektive konkreter<br />

Arbeit, ihren Wert und die Möglichkeit ihn kollektiv zu verweigern, gebunden.<br />

Das Proletariat als empirisches soziales Subjekt, das um den gesellschaftlichen Wert seiner<br />

konkreten Arbeit kämpft, die Integrität konkreter Arbeitsprozesse gegen die Unterwerfung unter die<br />

auflösende Tendenz des Wertgesetzes verteidigt, also der Verwandlung von konkreter in abstrakter<br />

Arbeit Widerstand entgegensetzt, das Proletariat als historische und d<strong>am</strong>it in seiner Form<br />

vergängliche Klasse kommt in Lukács Perspektive aus diesem Grund weder 1919 noch 1967 vor.<br />

Es bleibt Träger einer geschichtsphilosphischen Heilsbotschaft, die mit ihren empirischen Interessen<br />

allenfalls symbolisch zur Deckung zu bringen ist.<br />

20 Lukács, “Vorwort (1967)”, S. 30.<br />

21 Ebd., S. 24.<br />

22 Ebd., S. 26.<br />

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