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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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noch als integraler Bestandteil der Einheit des Lebens verstanden, wird von Lukács nun messianisch<br />

in Frage gestellt. Vergegenständlichung, als Objektivation menschlicher Tätigkeit definiert, und<br />

Verdinglichung, als Herrschaft der zweiten Natur über den Menschen unter der Form des<br />

Wertgesetzes, als ideologische Fetischisierung der Kapitalherrschaft in der scheinbaren Objektivität<br />

der Ware, setzt Lukács mit Entfremdung in eins. Und indem das Proletariat als realhistorische Klasse<br />

im Prozess des Klassenk<strong>am</strong>pfes nicht nur zu einem Selbst-Bewusstsein sondern zum Bewusstsein<br />

der Gesellschaft als Ganzes finde, vermag es, so Lukács, zum identischen Subjekt-Objekt der<br />

Geschichte zu werden. Das Proletariat wird zum Weltgeist. In seinem Vorwort zur Neuausgabe von<br />

1968 hat Lukács sich kritisch von diesem “Überhegeln Hegels” 16 distanziert. Was sich ihm nun als<br />

schon in der Grundkonzeption Hegels selbst angelegte Paradoxie darbot, war freilich für den jungen<br />

Lukács, wie die zahlreichen Erinnerungen, von Marianne Weber bis Anna Lesznai bezeugen, genau<br />

die angestrebte Utopie: “Das identische Subjekt-Objekt muß deshalb, indem es die Entfremdung<br />

aufhebt, zugleich auch die Gegenständlichkeit aufheben. Da jedoch der Gegenstand, das Ding bei<br />

Hegel nur als Entäußerung des Selbstbewußtseins existiert, wäre deren Rücknahme ins Subjekt ein<br />

Ende der gegenständlichen Wirklichkeit, also der Wirklichkeit überhaupt.” 17 Lukács gibt auf die, in<br />

“Der Bolschewismus als moralisches Problem” kategorisch verworfene Frage, ob das Proletariat<br />

denn nicht nur seine partikularen Interessen zur Herrschaft bringen würde, nun eine ebenso<br />

kategorische Antwort: Wenn “[d]as Berufensein einer Klasse zur Herrschaft bedeutet, daß es von<br />

ihren Klasseninteressen, von ihrem Klassenbewußtsein aus möglich ist, das Ganze der Gesellschaft<br />

diesen Interessen gemäß zu organisieren” 18 , dann sei das Proletariat die erste Klasse, die den<br />

“Gegensatz von Klasseninteresse und Interesse der Gesellschaft, als der von individueller Tat und<br />

ihren gesellschaftlichen Folgen” 19 in sich selbst, im eigenen Klassenbewusstsein, als Konflikt von<br />

Augenblicksinteresse und Endziel, austrägt. Indem das Proletariat zum Bewusstsein seiner<br />

Klasseninteressen vordringt, indem es Gesellschaft als Totalität abstrakter Arbeit überblickt, hebe es<br />

sich als empirische und d<strong>am</strong>it als partikulare Klasse selbst auf. D<strong>am</strong>it aber sei die Geschichte als<br />

Geschichte von Klassenkämpfen beendet. Über die Geschichte der freien Verwirklichung der<br />

Menschen, die darauf folgen soll, vermag auch Lukács wenig zu sagen.<br />

16<br />

Georg Lukács, “Vorwort (1967)”, in: ders., Geschichte und Klassenbewußtsein. Darmstadt/Neuwied:<br />

Luchterhand, 1968 [1923], S. 25.<br />

17<br />

Ebd.<br />

18<br />

Georg Lukács, Geschichte und Klassenbewußtsein, S. 129.<br />

19 Ebd., S. 159.<br />

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