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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Während die ungarische Armee im Mai gegen die rumänischen und tschechischen Truppen Erfolge<br />

erzielt hatte, haben sich die Widersprüche und Konflikte im Inneren dr<strong>am</strong>atisch zugespitzt. Schon<br />

Ende April hat Kun, auf Druck der sozialdemokratischen Mitglieder des Rats der Volkskommissare,<br />

gegen die Aktivitäten von Korvins politischer Polizei und der sogenannten „Lenin-Jungs“ - einer<br />

kommunistischen Terrorgruppe, die auf eigene Faust Verhaftungen und Beschlagnahmungen vornahm<br />

- einschreiten müssen. Währenddessen machten sich erhebliche Einbußen in der Produktion durch<br />

die chaotische Kollektivierung der Wirtschaft bemerkbar und die Versorgungslage in Budapest<br />

wurde immer dr<strong>am</strong>atischer.<br />

Die Bauern wehrten sich zunehmend gegen die staatliche Kontrolle ihrer Produktion, die Ausrichtung<br />

auf die Versorgung der Hauptstadt und die Politik der Kollektivierung.<br />

Vom 6. bis 8. Juni erschüttert ein Streik der Eisenbahnarbeiter im Westen nicht nur die Versorgung,<br />

sondern auch die Autorität der Zentralregierung. Die Streikenden verlangen, in konvertierbarem<br />

„blauen“, das heißt österreichischem Geld ausbezahlt zu werden. Die Regierung geht teilweise auf<br />

ihre Forderungen ein und ermutigt d<strong>am</strong>it nur andere, dem Beispiel zu folgen. Mitte Juni beginnen sich<br />

die Ereignisse zu überschlagen. Der erste Parteikongress der Ungarischen Sozialistischen Partei<br />

kommt in aufgeheizter Atmosphäre zu paradoxen Ergebnissen. Die radikalen kommunistischen<br />

Vorschläge für das Parteiprogr<strong>am</strong>m werden zum großen Teil ohne substantielle Diskussion<br />

übernommen, der Versuch die Partei in Kommunistische Partei umzubenennen hingegen schlägt fehl<br />

(man einigt sich schließlich nach massiven Erpressungsversuchen Kuns auf Sozialistisch-<br />

Kommunistische Partei Ungarns), die Mehrheiten in den zentralen Gremien der Partei bleiben nach<br />

wie vor in der Hand der Sozialdemokraten und auch bei der Verabschiedung der Parteistatuten<br />

setzen sich die Sozialdemokraten scheinbar durch. Auf dem Kongress schleichen sich in den<br />

Debatten erste antisemitische Zwischentöne gegen Kun, Lukács und andere Funktionäre ein. Einig<br />

sind sich Kommunisten und Sozialdemokraten auf dem Parteikongress noch in der Abwehr der<br />

Forderungen der Bauern und Landarbeiter nach einer Bodenreform, die ihrem Interesse an<br />

selbständigem Besitz Rechnung trägt. D<strong>am</strong>it verliert die Zentralregierung in Budapest endgültig ihre<br />

Sympathien bei der Landbevölkerung. Die Formelkompromisse und der Spagat zwischen<br />

wortgewaltig durchgesetzten radikalen inhaltlichen Beschlüssen und breiten sozialdemokratischen<br />

Mehrheiten unter den - den Debatten intellektuell vielfach kaum gewachsenen - Delegierten bieten<br />

keine Basis mehr für eine weitere Zus<strong>am</strong>menarbeit. Die auf dem Parteikongress formell aus der<br />

Taufe gehobene Sozialistisch-Kommunistische Partei Ungarns tritt, wie Rudolf Tökés schreibt, als<br />

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