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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Märchen, für das Kind ist jeder Gegenstand lebendig, auch wenn wir ihm Marx vorlesen.“ 190 So wie<br />

die Religionen den „Aberglaubeninstinkt“ 191 kanalisieren würden, so s<strong>am</strong>meln die Märchen die<br />

Phantasien der Kinder in „edlen Kelchen“. 192 Schönheit sei eine Sphäre jenseits der „sozialen<br />

Tendenz“ und er fragt: „wollt ihr sie auch in die Mozart-Sonate hineingeheimsen?“ 193 Balázs betont,<br />

dass die Volksmärchen älter als die Ursprünge des Kapitalismus, ja des Feudalismus seien, dass<br />

auch die Prinzessinnen des Märchens nur Ausdruck einer Welt sind, „in der aus jedem alles werden<br />

kann, [...] wo die Figuren nicht nur die Klasse, sondern auch die Gestalt und das Leben vertauschen,<br />

das ist kommunistischer als unser Kommunismus.“ 194 Jedes Märchen sei symbolisch, auch „wenn<br />

sein Symbol nicht in einer begrifflichen Erklärung auflösbar“ 195 sei, Verdichtung der „Ges<strong>am</strong>theit des<br />

menschlichen Lebens“. 196 Und schließlich identifiziert er die Märchen als den Ursprung aller lyrischen<br />

Vergleiche und Metaphern: „Wenn wir das Kindermärchen anrühren, schneiden wir jeder Dichtung,<br />

sogar jeder Kunst die Wurzeln ab.“ 197 Die Kinder seien es, die eine Chance auf „kommunistische<br />

Gefühle und Instinkte“ 198 haben würden. „Wir Erwachsene jedoch sind jener kommunistische<br />

Moses, der unsere Kinder an die Grenze des gelobten Landes führt und ihnen das Gelobte Land<br />

zeigt, in das wir nicht mehr eintreten können.“ 199<br />

Kurz bevor der Artikel erscheint und er selbst für einige Tage an die Front gehen muss, heiraten<br />

Balázs und Anna Schl<strong>am</strong>adinger <strong>am</strong> 29.4.1919. Edith Hajós, von der Balázs sich Ende 1918<br />

scheiden ließ, ist im Januar 1919 als Übersetzerin einer ungarischen Rot-Kreuz-Delegation nach<br />

Moskau aufgebrochen.<br />

8.7 „Für das Martyrium geeignet“ - die Agonie der Rätediktatur<br />

Die Rätediktatur in Budapest hat das Tor zum Gelobten Land nicht geöffnet.<br />

190<br />

Ebd.<br />

191<br />

Ebd.<br />

192<br />

Ebd.<br />

193<br />

Ebd., S. 126.<br />

194<br />

Ebd.<br />

195<br />

Ebd.<br />

196<br />

Ebd., S. 127.<br />

197<br />

Ebd., S. 127.<br />

198<br />

Ebd., S. 124.<br />

199 Ebd.<br />

299

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