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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Nunmehr ernsthaft der Vollendung der Ästhetik entgegensehend, scheint Lukács im Herbst 1917,<br />

wie Júlia Bendl schreibt, „Heidelberg in der Gewißheit verlassen [zu] haben, daß seine Habilitation<br />

eine unproblematische Angelegenheit sei“. 104 Am 7. November hinterlässt Lukács seinen mittlerweile<br />

legendären Koffer, mit mehr als 1600 Briefen, Notizheften, seinem Tagebuch und Teilen seiner<br />

Manuskripte, in einem Safe der Deutschen Bank, den er selbst niemals wieder öffnen wird. Von<br />

Budapest aus betreibt er in der Folge das formale Verfahren, das <strong>am</strong> 25. Mai 1918 in seinen Antrag<br />

auf Erteilung der venia legendi für Philosophie beim Dekan der Philosophischen Fakultät, dem<br />

Kunsthistoriker Eberhard Gothein mündet. Als Gutachter war nun Heinrich Rickert gewonnen. 105<br />

Der Antrag war gut vorbereitet, auch wenn die Arbeit selbst noch immer nicht in endgültiger Form<br />

vorlag. Im März 1918 genoss Eberhard Gothein einige Tage lang die Gastfreundschaft von József<br />

Lukács in Budapest. Gothein berichtete seiner Frau ausführlich in seinen Briefen, so dass sich sein<br />

Aufenthalt in Budapest gut rekonstruieren lässt. Von Georg Lukács <strong>am</strong> Bahnhof empfangen,<br />

bekommt Gothein nicht nur die Stadt, sondern auch die wichtigsten Privats<strong>am</strong>mlungen, zum Teil<br />

sachkundig geführt durch Frigyes Antal, zu sehen, und wird in der Lukács-Villa mit den wichtigsten<br />

Vertretern der Finanzaristokratie bekannt gemacht. Gothein besucht auch den Sonntagskreis. „Auch<br />

in dem jungen Kreise von Lukács überwiegt das jüdische Element; aber es muss [...] gesagt werden:<br />

es sind Idealisten, als solche vielleicht etwas zu bewusst, mit einem wahren Abscheu vor [...] Witz<br />

und Selbstironie, und im Übrigen meist ziemlich arme Burschen, die es sich sauer werden lassen. [...]<br />

Nun möchten sie gern in Heidelberg eine jungungarische Kolonie gründen. [...] Baracz’s [sic!<br />

gemeint ist Balázs] Frau, die z.Z. in Zwingenberg Gärtnerei lernt, möchte sich bei Heidelberg ein<br />

Gütchen erwerben, und das soll ihr Theleme sein. Es ist noch eine hoffnungsreiche, glückliche<br />

Generation.“ 106<br />

Heinrich Rickert moniert im Juni 1918 in seinem Gutachten zwar, dass zur Habilitation eine noch<br />

nicht vollendete Arbeit eingereicht worden sei, empfiehlt aber dennoch die Zulassung zur Habilitation.<br />

Doch die Fakultätssitzung <strong>am</strong> 24. Juni verläuft nicht wie erwartet. Gegen den Dekan und seine<br />

offenkundig unkorrekte Vorzugsbehandlung des Antragstellers, dem er schon ohne die Zustimmung<br />

der Fakultät seinen Prüfungstermin <strong>am</strong> 4. Juli mitgeteilt hatte, wird Widerspruch laut. Und von da an<br />

104<br />

Bendl, „Zwischen Heirat und Habilitation in Heidelberg“, S. 33. Siehe dort im Detail die Geschichte des<br />

Scheiterns von Lukács’ Habilitation in Heidelberg.<br />

105<br />

Lukács zu diesem Zweck eingereichtes Curriculum vitae ist abgedruckt in: Text + Kritik. Georg Lukács, S. 5-7.<br />

106<br />

Eberhard Gothein an seine Frau, 5.3.1918. Manuskript. <strong>Universität</strong>sbibliothek Heidelberg,<br />

Handschriftenabteilung, zitiert nach Bendl, „Zwischen Heirat und Habilitation in Heidelberg“, S. 36.<br />

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