12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

‘Werbegag’ in Pest sein könntest. 70 Personen sind eingeschrieben, 50 besuchen die Vorträge<br />

regelmäßig. [...] Wirst Du kommen?“ 95<br />

Lukács k<strong>am</strong>, aus der „Hölle von Heidelberg“, wo Ljenas Liebhaber d<strong>am</strong>it drohte, sie alle drei<br />

umzubringen, und seine Vorlesungen schienen einen Erfolg zu sein, „wenn auch wenige sie verstanden<br />

[...].“ 96<br />

Zoltán Horváth konstatiert, dass das Progr<strong>am</strong>m, mit dem der Sonntagskreis 1917 in die<br />

Öffentlichkeit trat, von den Positionen der Soziologischen Gesellschaft (und erst recht der<br />

syndikalistischen Sozialisten), „weit entfernt war und zwar nicht ‘links’, sondern ‘rechts’ von ihr<br />

abwich.“ 97 Einen großen Hörerkreis hat die Schule nie erreicht. Und so kommt ihr, wie auch dem<br />

Sonntagskreis insges<strong>am</strong>t, eher retrospektiv und aufgrund der späteren Entwicklung ihrer Teilnehmer,<br />

ihre Bedeutung als Ort der Verdichtung einer irritierend widersprüchlichen intellektuellen und<br />

revolutionären Entwicklung zu.<br />

Im Frühjahr 1917 hatten Balázs, Edith und Anna und auch Georg Lukács noch andere gemeins<strong>am</strong>e<br />

Pläne. Halb im Scherz, halb im Ernst, träumten sie davon eine Landkommune zu gründen. Edith<br />

Hajós hatte 1916 ihr Medizinstudium abgeschlossen und begonnen, im Krankenhaus zu arbeiten.<br />

Doch sie erkannte sehr bald, wie wenig sie für den Beruf des Mediziners geeignet war und gab die<br />

Stelle auf. Monate der Unsicherheit folgten, sie versuchte es mit Schreinerei, lernte Russisch und<br />

begann, sich mit Gartenbau zu beschäftigen. „Gyuri war von der Idee ganz begeistert: wäre es in der<br />

Nähe von Heidelberg, er würde sein Geld auch dazu geben und wir würden dort für uns alle eine<br />

Kolonie gründen. [...] Unser beliebtestes Spiel war: stundenlang vom Leben auf dem Mistbeet zu<br />

reden - (der N<strong>am</strong>e blieb hängen). Hinter all den Witzeleien und Phantastereien steckte eine sehr<br />

ernsthafte Überzeugung: dass wir zu viert, Edith, Anna, Gyuri und ich schließlich doch<br />

zus<strong>am</strong>menziehen müssen, und dass wir im Alter als eine F<strong>am</strong>ilie leben werden.“ 98 Die Frauen würden<br />

arbeiten und das Geld verdienen, die Männer sollen es ausgeben, musizieren, philosophieren,<br />

Wissenschaft betreiben, wie Balázs im Tagebuch ironisch und begeistert zugleich notiert. Edith Hajós<br />

95 Balázs an Georg Lukács, März 1917, in: Lukács, Briefwechsel, S. 397.<br />

96 Balázs, Napló 1914-1922, S. 236. Eintrag vom 28.7.1917.<br />

97 Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 506. Lukács selbst äußerte sich in einem Brief an Balázs im Jahre<br />

1940 ähnlich über ihr Verhältnis zum Nyugat: „Wir waren also eine rechte Opposition innerhalb einer d<strong>am</strong>aligen<br />

ungarischen Ges<strong>am</strong>tströmung, die in ihre Totalität eine bürgerliche Linksbewegung gewesen ist.“ (Georg Lukács<br />

an Balázs, 31.1.1940, Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5018/180)<br />

98 Balázs, Napló 1914-1922, S. 231. Eintrag vom 28.5.1917.<br />

276

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!