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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Was brachte diesen Kreis zus<strong>am</strong>men, was verband diese Gemeinschaft der Außenseiter, woher<br />

schöpften sie ihre kreative Kraft und die Unbedingtheit ihrer utopischen Visionen?<br />

Die meisten Teilnehmer des Kreises, bis auf Lajos Fülep und Emma Ritoók, k<strong>am</strong>en aus dem<br />

assimilierten ungarischen Judentum, wie Lukács aus dem wohlsituierten Budapester Bürgertum oder<br />

wie Balázs aus der kleinstädtischen Intelligenz. Anna Lesznai, die auf dem Gutshof ihres Vaters<br />

aufgewachsen war, bildete eine exotische Ausnahme. Doch, wie Mary Gluck hervorhebt, waren sie<br />

alle derselben, sie verbindenden existentiellen Unsicherheit ausgeliefert: „For the children of the liberal<br />

generation, both their Jewish and their Hungarian heritage began to appear deeply problematic and<br />

paradox, eventually they found themselves estranged from both communities, they were a<br />

marginalized and dislocated group, more thoroughly disenchanted with the present and more<br />

passionately invested in the future than even their West-European counterparts. As East-European<br />

they were invariably somewhat outside West-European developments; as assimilated Jews they<br />

were almost completely alienated from their Jewish past, and as Hungarian nationals they were<br />

increasingly shut out of an inward-looking and increasingly anti-semitic national community.“ 59<br />

Die Kraft der Teilnehmer des Sonntagskreises war die Frucht ihrer Isolation, ihrer<br />

Hoffnungslosigkeit, verzweifelter Mut der Parias. „Gestern Abend Gyuri und Ljena, Mannheim und<br />

Hauser. Ich musste wieder bei ihnen bleiben, weil die ganze Gesellschaft so hysterisch<br />

sanatoriumsreif war, dass es schlimm gewesen wäre, wenn auch ich gefehlt hätte. Wie kränklich,<br />

schwach und unglücklich die Menschen doch sind! Und wie gut es mir im Grunde doch geht!“ 60<br />

8.2 „Ob mein Judentum des Rätsels Lösung ist?“<br />

Balázs’ Reflexionen über „sein“ Judentum sind Ausdruck der tiefgreifenden Verunsicherung einer<br />

Generation zwischen allen Stühlen. Mitten im Krieg, den er selbst so emphatisch zu deuten versuchte,<br />

spürt er sich ausgeschlossen von dem Gemeins<strong>am</strong>en, das dieser Krieg beschwören soll. „Dieses<br />

Volk“, so schreibt er über die Ungarn, “ist mein Schicksal und mein gewähltes Volk. (Fast ein ‘freie’<br />

Wahl.) Aber nicht meine Seele. Ich bin allein.“ 61 Kein Kriegsgedicht habe er schreiben können, keine<br />

lyrische Stimme für diesen Krieg finden können, anders als Babits oder Ady, deren Gedichte die<br />

Schrecken des Krieges ausdrückten, ja im Falle Adys souveräne Verachtung für diesen Krieg<br />

59 Gluck, Georg Lukács and his Generation, S. 9.<br />

60 Balázs, Napló 1914.1922, S. 152. Eintrag vom 30.3.1916.<br />

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