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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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tragische Verkennung ist. Denn es ist eine tragische Situation, dass ich eine Burg verteidige, die ich<br />

selbst schon lange aufgegeben habe, früher und tatsächlicher aufgegeben habe, als jene, die so<br />

leichthin und bequem von mystischer Paradoxie, Intuition und dem Glauben jenseits des Verstandes<br />

sprechen. Denn ich kann die Burg des Intellekts nicht aufgeben, obwohl ich weiß, dass sie einstürzt,<br />

ich muss in ihr aushalten. Denn gerade das ist wichtig, dass ich sie trotz allem besetzt halte. [...] Gott<br />

verlässt die, die sich selbst einem unbekannten Feind preisgeben. Er will über uns triumphieren und<br />

die Waffen unseres Intellekts mit Gewalt von uns nehmen.“ 39<br />

Arnold Hauser hat in seinen Erinnerungen an den Sonntagskreis vor allem die Polarität zwischen<br />

Lukács und Balázs hervorgehoben. „Das besondere Vermögen von Béla Balázs bestand [...] im<br />

Entdeckungsspürsinn für dichterische Sensibilität. Seine unzähligen Bemerkungen, frappanten<br />

Analysen und seine diesbezüglichen Abendkurse bleiben mir unvergeßlich. Ich erinnere mich<br />

insbesondere lebhaft an seine Vorträge über ‘Die lyrische Sensibilität’, in welchen er auf seine Art die<br />

mittelalterliche Troubadourlyrik von neuem entdeckte, nachdem die klassische Erbschaft der Gattung<br />

verloren gegangen ist.“ 40 Hauser betont, dass Balázs’ Bücher über den Film 41 ohne diese Sensibilität<br />

nicht möglich gewesen wären: „[D]ie Vision von Balázs blühte aber bereits, und der Sinn war da, die<br />

neue Empfinds<strong>am</strong>keit, das Auge für eine neue Welt, die er die der Visualität nannte.“ 42 Lukács<br />

dagegen habe weder die Sensibilität des Künstlers noch das Qualitätsgefühl des Kenners besessen.<br />

„Lukács selbst drückte dies folgendermaßen aus: ‘Ich bin kein Kunstkritiker, ich bin ein<br />

Kunstphilosoph.’ Das bedeutete, daß, wenn er jemanden für einen bedeutenden Künstler oder<br />

Dichter hielt, sein Urteil fast immer irrig war. Er hielt Paul Ernst für einen großen Dichter, Richard<br />

Beer-Hoffmann [...] für einen exquisiten Dr<strong>am</strong>atiker, und so urteilte er in einer ganzen Reihe von<br />

Fällen bis zu Walter Scott.“ 43 Zielten die Debatten des Sonntagskreises im Kern auf die<br />

Neubegründung einer totalen Metaphysik, so bildete die „gemeins<strong>am</strong>e Plattform, auf der sich die<br />

Interessen aller trafen, [...] jedoch der theoretische Diskurs über Kunst“ 44 , wie Anna Wessely<br />

bemerkt, als „eine Objektivationsebene [...], die die Intensität des Erlebens mit<br />

38<br />

Ebd.<br />

39<br />

Balázs, Napló 1914-1922, S. 245.<br />

40<br />

Arnold Hauser, Im Gespräch mit Georg Lukács. München: C.H.Beck, 1978, S. 56f. Das Zitat st<strong>am</strong>mt aus einem<br />

Interview mit Arnold Hauser von Christoph Nyiri aus dem Jahre 1975.<br />

41<br />

„Seither ist nichts mehr so Gutes über diesen Gegenstand geschrieben worden.“ (Ebd., S. 57)<br />

42<br />

Ebd.<br />

43<br />

Ebd.<br />

44<br />

Anna Wessely, „Der Diskurs über die Kunst im Sonntagskreis“, in: Wechselwirkungen. Ungarische<br />

Avantgarde in der Weimarer Republik, S. 542.<br />

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