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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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und Ervin Sinkó 21 . Auch Karl (Karoly) und Michael (Mihály) Polányi 22 nahmen, wenn auch nur<br />

sporadisch, an den Diskussionen teil. 23<br />

Im Dezember 1915 ist in Balázs’ Tagebuch zum erstenmal vom „Herren-Jour“ 24 die Rede: „[D]as<br />

fing so an, dass es sich vielleicht zu einer Akademie des ‘Geistes’ und der Ethik entwickeln kann.<br />

Nur ‘ernsthafte’ Leute und mit metaphysischer Neigung werden eingeladen. Jeder neue Gast wird<br />

vorgeschlagen, und jedes Mitglied der Gesellschaft hat Veto-Recht. Bereits beim ersten Mal ist es so<br />

gut gelungen, wir haben so ‘gute’ Luft gespürt, dass es allen Anwesenden zur Herzenssache wurde.<br />

Gyuri, Béla Fogarasi, Emma Ritoók. Doch der Kreis wird noch größer.“ 25<br />

Auch wenn Balázs den Sonntagskreis als „Herren-Jour“ einführt, hebt Mary Gluck hervor, dass zu<br />

dieser Zeit an keinem anderen Ort eine derart intensive Teilnahme von Frauen an einem solchen<br />

Zirkel möglich war. Den Frauen fiel offenbar vor allem die Rolle zu, unbequeme Fragen zu stellen,<br />

das Rohmaterial zu liefern für die theoretischen Gestaltungen der Männer, herauszufordern und zu<br />

inspirieren. Anna Lesznai hat in ihren Lebenserinnerungen nachdrücklich betont, dass ihre<br />

Zus<strong>am</strong>menkünfte mehr Ähnlichkeit mit einer religiösen, einer spirituellen Gemeinschaft als mit einem<br />

akademischen Zirkel oder einem „politischen Klub“ gehabt hätten. „Die Zus<strong>am</strong>menkünfte hatten<br />

18<br />

Károly (Charles de) Tolnay (1899-1981), Kunsthistoriker, Schüler von Lajos Fülep, ab 1918 Studium in Wien,<br />

Privatdozent in H<strong>am</strong>burg, 1933 Emigration nach Paris, 1939 in die USA, Professur der Kunstgeschichte in<br />

Princeton. 1965 Rückkehr nach Europa und Direktor der Casa Buonarotti in Florenz. Zahlreiche bedeutende<br />

kunstgeschichtlichen Werke, z.B. über Breughel, Hieronymus Bosch und Michelangelo.<br />

19<br />

László Radványi (1900-1978), Wirtschaftswissenschaftler, während des Studiums Teilnehmer des Galilei-Zirkels<br />

und später des Sonntagskreises, 1919 Emigration und Fortsetzung des Studiums in Heidelberg, 1923 Promotion<br />

über Chiliasmus, ab 1926 in Berlin, u.a. Leiter der Marxistischen Arbeiterschule. Heirat mit Anna Seghers,<br />

Emigration nach Mexiko, 1952 gemeins<strong>am</strong>e Rückkehr in die DDR, wo er eine Professur an der Humboldt-<br />

<strong>Universität</strong> erhält.<br />

20<br />

Tibor Gergely (1900-1978), Maler, Zeichner, emigrierte 1919 nach Wien, Heirat mit Anna Lesznai, mit der er<br />

später in die USA auswanderte.<br />

21<br />

Ervin Sinkó (1898-1967), Schriftsteller, schloss sich 1918 einer Gruppe avantgardistischer Schriftsteller in<br />

Budapest an, aktiv in der Rätediktatur als Leiter der Abteilung für Weltanschauung im Volkskommissariat für<br />

Unterrichtswesen, nach dem Sturz der Rätediktatur Emigration nach Wien, hier gab er eine christliche Zeitschrift<br />

heraus. Lebte ab 1926 in Jugoslawien, wo er begann, seinen autobiographischen Roman Die Optimisten zu<br />

schreiben, ging 1933 zurück nach Wien, und über Zürich nach Paris, dort lebte er von 1934 bis 1939, unterbrochen<br />

von einem zweijährigen Aufenthalt in Moskau 1935/36. 1939 Flucht nach Jugoslawien, wo er nach Internierung<br />

und Partisanenk<strong>am</strong>pf, nach 1945 in Zagreb als Hochschullehrer tätig wurde.<br />

22<br />

Michael Polányi (1891-1976), Physiker, Chemiker und Soziologe, gehörte wie sein Bruder Karl zu den führenden<br />

Angehörigen des Galilei-Zirkels.<br />

23<br />

Eine ausführliche Darstellung des Sonntagskreis anhand von Aufsätzen, Erinnerungen und Tagebüchern bietet<br />

der von Éva Karádi und Erszébet Vezér herausgegebene Band Georg Lukács, Karl Mannheim und der<br />

Sonntagskreis. Siehe außerdem die Beiträge von Éva Karádi und Anna Wessely in dem Band Wechselwirkungen.<br />

Ungarische Avantgarde in der Weimarer Republik. Hg. von Hubertus Gaßner. Marburg: Jonas, 1986, sowie<br />

David Kettler, Marxismus und Kultur. Mannheim und Lukács in den ungarischen Revolutionen 1918/19.<br />

Neuwied/Berlin: Luchterhand, 1967.<br />

24<br />

Balázs, Napló 1914-1912, S. 105. Eintrag vom 23.12.1915.<br />

25 Ebd.<br />

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