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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Erneut begegnen sie dem Brahmanen, der K<strong>am</strong><strong>am</strong>ila vorwirft, in all ihrer Treue doch treulos gewesen<br />

zu sein. Weder „bleibende“ noch „verfolgende Treue“ 110 kann also König Suryakanta seine Identität<br />

wiedergeben. Der Brahmane wiederholt seinen Spruch: „Treulos ist die Treue, doch dem<br />

Beständigen braucht man nicht zu folgen.“<br />

Rasakosha und K<strong>am</strong><strong>am</strong>ila lassen den König allein. Dieser „erhob [...] sich schwerfällig, und als trete<br />

er, die Richtung seines Lebens umkehrend, den Rückweg seiner Erinnerungen an“ 111 , geht er im<br />

Walde geradewegs auf den Teich zu, aus dem er noch einmal sein altes Antlitz zu schöpfen vermag.<br />

Wortgleich, und d<strong>am</strong>it das Rituelle dieser Handlung unterstreichend, wiederholt sich die Szene. Doch<br />

nun bleibt Suryakanta unbeweglich sitzen, so wie Anangaraga im Palast. Sie warten, bis die<br />

niedergefallenen Blätter der Lotusblume, die Suryakanta ihr als Andenken für die ihr fortgenommene<br />

Schwester K<strong>am</strong><strong>am</strong>ila gegeben hatte, die Welt zum Tönen bringen. 112 So muss König Suryakanta<br />

„aus der heroischen Schweigs<strong>am</strong>keit des Übermenschen heraustreten, er muss mit den<br />

Erniedrigungen seiner Liebes-Pilgerfahrten für seine stolze Überlegenheit bezahlen, um Mensch zu<br />

werden, um der Liebe und des Vertrauens seiner Mitmenschen würdig zu sein. Helfen kann ihm aber<br />

nur die zweite Unmittelbarkeit des naiven Vertrauens, das ihn von der Ebene der ‘Armut <strong>am</strong> Geiste’<br />

aus die Hand reicht, das weder stolz noch hündisch ergeben ist, das nur soviel sagt: ‘Sei dir selber<br />

treu’.“ 113<br />

Dann erst zieht Suryakanta zum Kristallpalast, wo sich Anangaraga für ihn rüstet. Denn sie hat nach<br />

seiner Seele nicht suchen müssen. „Vor meiner Geburt, in früheren Leben schon, wand sich meine<br />

Liebe um die Wurzel deiner Seele und dort wohnt sie nun. Wer aber suchte wohl das Haus, in dem<br />

er wohnt?“ 114 So ist ist die Heimkehr, die die beiden mit ihrer Brautnacht im Walde erleben, ein<br />

doppelte. Indem Suryakanta im unbedingten Vertrauen einer außerhalb dieses Lebens verbürgten<br />

Treue zu sich selbst wiederfindet, ist auch die Rückkehr in die reale Welt seines Hofes der Eintritt in<br />

eine neue homogene Welt. Die letzte Schwelle, die er dabei überschreiten muss, ist das sich<br />

Fallenlassen in den sexuellen Akt, ohne Angst um die Treue der Braut, ohne Angst um sein<br />

Geschlecht. Die Liebe aber, die er findet, ist eine mütterliche Liebe, eine Liebe, die schon „vorher“<br />

da war, die nicht entsteht sondern selbst als Wurzel der Existenz erscheint.<br />

110<br />

Balázs, Sieben Märchen, S. 43.<br />

111<br />

Ebd., S. 45.<br />

112<br />

Am 31.3.1915 notiert Balázs in sein Tagebuch, mit Anna einen „okkulten Versuch“ vereinbart zu haben. Jeden<br />

Morgen würden sie ein paar Minuten vor 7 Uhr „intensiv und konzentriert aneinander denken. Vielleicht gelingt<br />

es, den Raum zu durchbrechen.“ (Balázs, Napló 1914-1922, S. 39)<br />

113<br />

Fehér, „Das Bündnis von Georg Lukács und Béla Balázs bis zur ungarischen Revolution 1918“, S. 160f.<br />

114 Balázs, Sieben Märchen, S. 52.<br />

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