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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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alten Identität seinen Anfang nimmt und in der Wiedergewinnung einer haltbareren,<br />

realitätstüchtigeren Identität endet.<br />

Suryakanta tritt auf als eine scheinbar reife Persönlichkeit, „leuchtend, rein und hart.“ 99 Seine Seele<br />

wurzelt in früheren Leben und seine Handlungen sind seit Ewigkeiten vorbereitet und gültig.<br />

Suryakanta hasst Worte und beantwortet jede Frage durch eine Tat. Doch eines Tages nimmt er<br />

Abschied von seiner Gattin, dem „Schrein der Treue“ 100 , um im Wald einen heiligen Hain zu<br />

besuchen, und dort durch Opfer, Waschungen und Meditation seine Seele zu reinigen. Im Walde<br />

begegnet Suryakanta einer Schlange, der er die letzte Nahrung, ein Kaninchen entreißt. Das<br />

Kaninchen rettend, bedroht seine Handlungsweise nun die Schlange mit dem Hungertod.<br />

Schweigend schneidet Suryakanta, als er von der Not der Schlange erfährt, sich selbst ein Stück<br />

Fleisch aus dem Arm. Doch die Schlange, die von ihm, dem Schweigs<strong>am</strong>en und nur in Taten<br />

Antwortenden, kein rettendes Wort vernimmt, stirbt, bevor er ihr sein Opfer darbringen kann. Da<br />

wird Suryakanta wegen seines Stolzes vom Gotte Ganesha zur Rede gestellt: „Wenn Deine Seele<br />

sich weder bewegen noch wandeln kann, so will ich sie von ihrem Stiele reißen, d<strong>am</strong>it sie sich<br />

bewegen und ihrer Härte wegen nicht wieder morden müsse.“ 101<br />

Suryakantas unantastbare Härte ist gebrochen, nun zeigt er Schwächen, verhält sich ganz und gar<br />

unköniglich, ist mit sich selbst nicht mehr identisch. Es drängt ihn zurück an den Hof zu seiner Gattin<br />

Balapandita. Seinen Vorsatz, den heiligen Hain zu besuchen, gibt er auf. Sein Begleiter, der erste<br />

Minister ist bestürzt. „Was j<strong>am</strong>merst du, Rasakosha?“, ruft Suryakanta aus. „Bin ich <strong>am</strong> Ende<br />

verwandelt?“ Doch schließlich klagt er selbst: „Ich bin nicht länger Suryakanta, noch ein Di<strong>am</strong>ant<br />

unter den Männern!“. Und Rasakosha antwortet: „Ich weiß nicht wer du bist, König Suryakanta.“ 102<br />

So geht es auch der treuen Balapandita, die ihren Gatten nicht wiedererkennt. Er hat das Gesicht<br />

eines Schauspielers, die Stimme eines verschnittenen Knechts, das Gebaren einer schwangeren Frau,<br />

er hat die Prädikate seines Geschlechts verloren. Balapandita erklärt Suryakanta für tot, ordnet alle<br />

rituellen Totenopfer an und bereitet sich vor, ihm in den Tod zu folgen. Suryakanta, der seine<br />

Identität verloren hat und als tot gilt, muss nun in die Welt hinaus ziehen, um sich wieder zu finden in<br />

der Treue eines Weibes, „dessen Liebe [seiner] flüchtenden Seele auf der Spur folgt“. 103 Ihre Liebe<br />

soll sein „festigender Anker“ 104 werden, an dem er sich mit dem Leben wieder verbinden kann.<br />

99 Béla Balázs, Sieben Märchen. Wien/Berlin/Leipzig/München: Rikola, 1921, S. 13.<br />

100 Ebd., S. 15.<br />

101 Ebd., S. 17.<br />

102 Ebd., S. 19f.<br />

103 Ebd., S. 25.<br />

104 Ebd.<br />

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