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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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und deswegen in der Lage, einen wie immer gearteten symbolischen Inhalt aufzunehmen?“ 22 Hier<br />

berührt Lévi-Strauss ohne Frage Gedanken von Lucien Lévy-Bruhl über die Struktur des „wilden<br />

Denkens“: „Die Met<strong>am</strong>orphosen“, so schreibt Edgar Morin über Wiedergeburt und Verwandlung in<br />

der magischen Schau und im Film, „setzen ein fluides Universum voraus - hier begegnen wir uns mit<br />

Lévy-Bruhl -, wo die Dinge nicht in ihrer Identität erstarrt sind, sondern an einer großen kosmischen<br />

Bewegungseinheit teilnehmen“. 23<br />

Das Märchen erweist sich, wie sich zeigen lässt, als poetische Realisierung dieses Prinzips der<br />

„reinen“ Potentialität, und das gerade aufgrund seiner rituellen, strengen Regeln der Komposition<br />

gehorchenden Sprache und Dr<strong>am</strong>aturgie. Auch Marcel Mauss gilt das Märchen als eine Welt der<br />

erfüllten Wünsche. „Zwischen dem Wunsch und seiner Verwirklichung gibt es in der Magie keinen<br />

Zwischenraum. Das ist eines der unterscheidenden Kennzeichen der Magie, vor allem in den<br />

Märchen.“ 24<br />

Psychoanalytische und ethnologische Märchenforschung haben die Elemente der Initiation und der<br />

Magie in der Sprache der Märchen, den Formen ihrer Überlieferung und Rezeption variantenreich zu<br />

Tage gefördert. „Alles, was man wünscht, ist möglich; alle Märchen spielen in der Zeit, ‘da das<br />

Wünschen noch geholfen hat’“ 25 , so schrieb Charlotte Bühler 1918 über „Das Märchen und die<br />

Phantasie des Kindes“. Und d<strong>am</strong>it beantwortet sie auch die Frage nach der libidinösen Faszination,<br />

die von der Poetik der Märchen ausgeht, der Bann, in den sie ihre Zuhörer schlagen. „Die<br />

unablässige Wiederkehr von Wundern im Märchen läßt uns vermuten, daß der rasche, vom Wunsch<br />

dirigierte Vorstellungswechsel an sich für das Kind eine Quelle der Lust ist.“ 26 Im engeren Sinne ist<br />

hier, wie in den meisten Märchentheorien, vor allem von der Gattung des Zaubermärchens die Rede.<br />

Dessen Motive sind freilich auch, in unterschiedlicher Dichte und Variation, in den zahlreichen<br />

anderen Märchengattungen und Mischformen, vom Schwankmärchen über das Tier(fabel)märchen<br />

bis zum Legendenmärchen präsent.<br />

22 Ebd., S. 40.<br />

23 Morin, Der Mensch und das Kino, S. 85.<br />

24 Mauss, Entwurf zu einer allgemeinen Theorie der Magie, S. 96.<br />

25 Charlotte Bühler, Das Märchen und die Phantasie des Kindes [Beihefte zur Zeitschrift für angewandte<br />

Psychologie, Nr. 17]. Leipzig: Verlag von Johann Ambrosius Barth, 1918, S. 47.<br />

26 Ebd., S. 48.<br />

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