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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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VII.<br />

Das Märchen und das Leben der Dinge<br />

7.1 Pansymbolismus und Initiation<br />

„Vielleicht sind wir alles<strong>am</strong>t dieselbe Seele von verschiedenen Zentren aus betrachtet, verschiedenen<br />

Stadien. [...] Es sind s<strong>am</strong>t und sonders aufeinander aus der Ferne zufließende Flüsse, den See aber<br />

habe ich noch nicht gefunden. Sicherlich werde ich ihn noch lange nicht finden.“ 1 So hatte Balázs<br />

1911 an Lukács geschrieben. Doch er wusste, wo er danach suchen wollte. Schon 1910 hatte er<br />

Lukács einbekannt, warum er die Vereinigung der Seelen im Medium des Märchens geborgen sah.<br />

„Alles ist Seelensymbol und Seelenschicksal. Alles ist der gleiche Stoff: ‘Gefühl und Landschaft’,<br />

der Gedanke und die sich rings um mich vollziehenden Ereignisse des Lebens, Traum und<br />

Wirklichkeit, alle sind EIN Stoff, weil alle gleicherweise das Schicksal der Seele und ihre<br />

Offenbarung sind, und sie EXISTIERT!! [...]: Seele und Schicksal - doch sind Wirklichkeit und<br />

Traum gleicherweise ihre Offenbarungen oder Funktionen. Darum schreibe ich Märchen. Jetzt<br />

konnte ich es erklären. Durch ihre Form symbolisieren sie, daß der Glasberg <strong>am</strong> Ende der Welt<br />

keinen Dualismus in meine Welt bringt. Auch diesseits ist Märchen. Dieses Gefühl der Einheit könnte<br />

das Bewußtsein der neuen Kultur sein.“ 2 Noch verteidigt er auch die Eins<strong>am</strong>keit seines Schaffens,<br />

denn diese „Eins<strong>am</strong>keit ist eine andere als die schlaffe Ästheteneins<strong>am</strong>keit, die sich so oft aus Angst<br />

einer Massenidee unterordnet, etwa dem Katholizismus oder dem Sozialismus.“ 3<br />

Acht Jahre später, im Mai 1918, erscheinen Balázs’ Märchen als Buch. Und Balázs hat sich<br />

inzwischen dem Sozialismus deutlich angenähert, weit genug, um <strong>am</strong> 15. Mai der Sozialistischen<br />

Partei, d.h. der ungarischen Sozialdemokratie beizutreten 4 , ein Umstand, der ihm einen einzigen<br />

lakonischen Satz wert ist. Von Politik ist in Balázs’ Tagebuch noch bis zum Herbst kaum einmal die<br />

Rede. Umso mehr von seinen Märchen und von seinen Gesprächen darüber mit Lukács: „[I]ch sagte:<br />

Meine Märchen sind Seelenmythen, so wie die alten teilweise Naturmythen waren. Ebenso naiv und<br />

sie erscheinen ebenso als unmittelbare Realität, als unmittelbares Ereignis. Aber keine Allegorien.<br />

1<br />

Balázs an Georg Lukács, 16.8.1911, in: Lukács, Briefwechsel, S. 245.<br />

2<br />

Balázs an Ge org Lukács, Ende Mai 1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 123f.<br />

3<br />

Ebd., S. 124.<br />

4<br />

Die Gründung der Ungarischen Kommunistischen Partei erfolgt im November 1918.<br />

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