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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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ungarischen Kommunisten begreifen. Balázs’ romantisches Bild der ungarischen Bauern hingegen<br />

wird sich mit dieser Erkenntnis niemals vertragen.<br />

Kurz vor dem Ende des Buches, kurz bevor Esti Tomola in den Tod geht und Johannes Szegedi vom<br />

„Fährmann des Todes“ in die revolutionäre Bewegung übergesetzt wird, vers<strong>am</strong>melt Balázs die<br />

Figuren des Romans in einer surrrealen Szene in einem Raum. Der Raum ist ein Kino, das Johannes<br />

und seine Freunde in Szabadka besuchen. Eine Filmhandlung, von Balázs höchst anschaulich und<br />

dennoch bewusst unverständlich beschrieben, gipfelt in einem Feuer, einem brennenden Haus, aus<br />

dem eine Frau gerettet wird, um die offenbar drei Männer streiten. Kinobesitzer Kalács, ein Priester<br />

der Kunst, eine Karikatur der neuen Prätentionen des Mediums, lässt Johannes hinterher für seine<br />

Freunde <strong>am</strong> Klavier noch ein Konzert geben. Und während für den Musiker die Welt um ihn<br />

versinkt, sieht er auch die anderen Gestalten seines Lebens, Andrea und Klara, Schneider, Ilona und<br />

den Grafen dämmernd auf den Zuschauerbänken. Und es dämmert auch die Leinwand, während die<br />

Musik, die Melodie Vergangenheit und Gegenwart vereint: „[M]an muß nicht wählen. In der Musik<br />

ist alles beis<strong>am</strong>men.“ 327 Und Johannes spielt, von Angst gepackt, weiter, um die Bilder der<br />

Vergangenheit näherzuholen, die nun nebelhaft über ihm schwebend auf der Leinwand erscheinen<br />

und sich zu einer Feuersbrunst steigern, die die Stadt Tiszavásárhely (aus der Johannes st<strong>am</strong>mt)<br />

verschlingt, so wie einst die Flut die Stadt Szeged, in der Balázs geboren wurde.<br />

Balázs lässt kaum eins der konstitutiven Momente archaischer Übergangs- und Initiationsriten aus,<br />

um sie zu dem Märchen einer revolutionären Bewusstwerdung zu <strong>am</strong>alg<strong>am</strong>ieren: Von der Seklusion<br />

des Initianden im Dunkel der Nacht und des Waldes bis zur Aufnahme in eine transitorische<br />

Geheimsekte, von ekstatischer Nacktheit und erotisierter Natur, rauschhafter Betäubung und<br />

Todeserfahrung, Maskentanz und Identitätstausch bis schließlich zur Initiation in den revolutionären<br />

Geheimbund durch den „Fährmann des Todes“, den Herrn über den See. Vom Wörthersee (an dem<br />

Balázs 1907 wohl die Idee zu dem Märchen „Die Stille“ k<strong>am</strong>) bis zum Palicser See bei Szabadka<br />

zieht sich das Motiv des Sees durch den ganzen Roman.<br />

„Blauer See, blauer Himmel, blaue Sonne, blauer Sand. Ist blau vielleicht die Farbe des Vergessens?<br />

Wenn es noch um ein wenig blauer wäre, wenn alles blau wäre, dann müßte das Leben darin<br />

versinken.“ 328<br />

327 Ebd., S. 367.<br />

328 Ebd., S. 179.<br />

229

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