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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Johannes stattdessen fährt nach Szabadka, wo sein Schulfreund Arpád Zucker Realschulprofessor<br />

geworden ist. Der Krieg steht kurz bevor, die Nachricht von der Ermordung des österreichischen<br />

Thronfolgers macht die Runde. Johannes fährt mit der Eisenbahn, in der III. Klasse, wie Balázs<br />

betont. Sein Blick wird durch ungeheure Weizenfelder getragen, durch eine glühende Wüste, wogend<br />

und endlos. „Alles was er dachte und litt, hier begann es unbestimmt zu werden, zu zerfließen in<br />

diesem ungeheuren Raum ohne Gegenstand.“ 313 Er selbst hat das Gefühl, unsichtbar zu werden. Und<br />

er begegnet den kantigen, roten Steinen wieder, die nun als „harte Würfel“ 314 die Physiognomie eines<br />

Arbeiters kennzeichnen, der ihm im Abteil gegenübersitzt und den Volkswillen liest. Johannes<br />

Szegedi spürt die Fremdheit dieser Menschen, an denen er sich stößt, die ihn ausschließen wie eine<br />

„fremde Rasse“ 315 , wie ein „fremder Zaun“. 316 Wenig später begegnet er der Menge, Bauern auf<br />

dem Markt, dann Arbeitern, lässt sich stoßen und schieben, treibt dahin, stößt auf Menschen, die er<br />

in einer monotonen Reihung als „ganz gleiche“, mit „ganz gleiche[n] blauen Blusen und ganz gleichen<br />

rußige[n] Gesichter[n] [...] und ganz gleichen stummen fremden, dunklen Blicken“ 317 beschreibt. Er<br />

vermag nicht teilzuhaben an ihrer Gemeinschaft. Und noch einmal folgt die Schilderung eines<br />

ungeheuren, weißglühenden Raumes, in dem er sich alleingelassen fühlt.<br />

Es folgt das dekadente Zwischenspiel der „Bohéme von Szabadka“, das Balázs an den Vorabend<br />

des Krieges verlegt und allzu durchsichtig mit dem keimenden Klassenbewusstsein der Arbeiter und<br />

Bauern, mit Lohnkämpfen und Landarbeiterstreiks, mit sozialem Protest gegen den Krieg<br />

kontrastiert, Dingen, von denen 1914/15 in seinem Leben und in seinem Tagebuch wahrlich noch<br />

nicht die Rede war. Während Szegedi sich mit Zucker und seinen Freunden zweifelhaften<br />

Vergnügungen hingibt, wartet auf ihn die Erlösung durch die illegale Organisation der Arbeiter. Als er<br />

einem „Trupp Arbeiter“ 318 begegnet, trifft ihn wieder dieser gemeins<strong>am</strong>e, fremde, dunkle und harte<br />

Blick. Doch nun wird er von diesen Blicken berührt wie von einem „Faustschlag“. 319 Es dauert nicht<br />

lange, und der Initiand erhält Gelegenheit, dem geheimen Bund beizutreten. Der Meister, der ihn<br />

aufnimmt, ist der Lehrer <strong>am</strong> Palicser See, ein unnahbarer, zurückgezogener Mann, dem „etwas<br />

313<br />

Ebd., S. 315.<br />

314<br />

Ebd.<br />

315<br />

Ebd.<br />

316<br />

Ebd., S. 320.<br />

317<br />

Ebd., S. 327.<br />

318<br />

Ebd., S. 378.<br />

319 Ebd.<br />

227

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