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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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nahe des Wörthersees. Auch sie fühlt sich zunächst umzingelt -von Béla, den sie in der Landschaft,<br />

die sie umgibt, überall zu erkennen vermeint. Auf dem Berg legt sie sich nieder, betet und wartet auf<br />

die große Hand aus dem Dunkel, die sie forttragen soll. In den Wald hinabgestiegen, kommt sie ihm<br />

näher. „Denn all das warst du.“ 302 Der Wald wird zu einem warmen Brausen, einem schwarzen<br />

S<strong>am</strong>tzelt, in dem die Vereinigung erfolgen soll. Auf einer Lichtung entkleidet sie sich, imagniert ihre<br />

Brautnacht: „[D]u warst der Wald, du warst der Mond auf meinem Körper.“ 303 Doch Ilona und der<br />

Dichter kommen nicht zus<strong>am</strong>men, denn Ilona misstraut im entscheidenden Augenblick ihrer Liebe<br />

und gibt sich hilflos dem Lasterleben hin.<br />

Balázs führt seine Protagonisten schließlich in einem nächtlichen Ritual zus<strong>am</strong>men. Johannes und<br />

Klara werden auf ihrer Wanderung über die Landstraße <strong>am</strong> Morgen von dem Kutscher 304 Heinrich<br />

Schneider aufgelesen und in das Schloß des Grafen Szentgyörgi gebracht, in dem Ilona nun lebt, wie<br />

in einem Vorgriff auf Murnaus NOSFERATU. Einem Schutzengel gleich hatte der Graf Ilona einst von<br />

ihrem Weg zur Donaubrücke, von der sie sich stürzen wollte, abholen und auf sein Schloss bringen<br />

lassen, während Béla Barna, der Dichter, sich aus Schmerz über seine unglückliche Liebe erschießt.<br />

In Szentgyörgis Schloss über dem Städtchen Szentendre findet nun ein Maskenball statt. Wie ein<br />

Opiumrausch soll er die Seelen in Trance flattern lassen. 305 „Meine Kostüme sind aber noch besser<br />

als Alkohol“, verkündet der Graf dem erstaunten Johannes, der sich fühlt „wie auf einer weiten Reise,<br />

wie unterwegs auf einer Seelenwanderung“. 306 Graf Szentgyörgi tritt als Meister einer okkulten<br />

Inszenierung auf, zugleich als resignierter Weltverbesserer, der sich in die privatistische Harmlosigkeit<br />

einer dekadenten Veranstaltung zurückgezogen hat, über die er nun allein Regie führen kann. „Sehen<br />

Sie, das ist unser heimliches Laster. Von dieser Gewohnheit in meinem Haus weiß keiner. Das ist der<br />

verborgene Ritus einer geheimen Sekte. Sehen Sie, wie sie träumen? In meinen Kostümen sind sie<br />

nackt. Denn nur im Traum und im Wahnsinn lebt das unabhängige, ganz eigene Gesetz der Seele.“ 307<br />

Am Rande dieser Szene kommt es zwischen Johannes Szegedi und Heinrich Schneider zu einer<br />

progr<strong>am</strong>matischen Kontroverse, die entlang des Gegensatzes von Seele und Werk eine Variation der<br />

Auseinandersetzungen zwischen Balázs und Lukács liefert: ob nämlich die Totalität, die hinter den<br />

301 Ebd.<br />

302 Ebd., S. 173.<br />

303 Ebd., S. 174.<br />

304 Heinrich Schneider, dem Kutscher, hat Balázs die Züge, vor allem aber philosphische Anschauungen Georg<br />

Lukács’ verliehen.<br />

305 Vgl. ebd., S. 209f.<br />

306 Ebd., S. 209.<br />

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