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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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weiter. 286 Balázs klagt über seine Eitelkeit, die Anna und Edith ihm vorhalten, seine Sehnsucht nach<br />

einer Männerfreundschaft, über den Misserfolg seines nun als Buch erschienenen Kriegstagebuches<br />

und über die Pein, die seine Promiskuität für Anna bedeutet. 287<br />

Der Roman wird in Budapest nicht mehr erscheinen. Erst 1921, im Wiener Exil, gelingt es Balázs,<br />

den Roman in zwei Bänden abzuschließen. Der erste Band erscheint in einem kleinen,<br />

ungarischsprachigen Verlag in Transsylvanien 288 , über die Publikation des zweiten Bandes kann<br />

Balázs sich mit dem Verlag nicht einigen. Erst 1929 erscheinen schließlich beide Teile, nun in einem<br />

Band, in deutscher Übersetzung und unter dem Titel Unmögliche Menschen, in <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong><br />

<strong>Main</strong>. 289<br />

Der Roman schildert die in revolutionärem politischen Bewußtsein gipfelnde Selbstfindung eines<br />

Musikers und dessen Durchgang durch verschiedene Beziehungswelten und Seelenstadien. Georg<br />

Lukács hat sehr viel später darauf hingewiesen, dass Balázs die revolutionäre Teleologie des Romans<br />

nachträglich eingefügt und sonst wenig <strong>am</strong> ursprünglichen Manuskript geändert habe. 290 Doch die<br />

Bilder, die Balázs komponierte, laufen von Beginn an auf eine romantisch-politische Perspektive der<br />

Vereinigung mit dem Volk zu, der Erlösung aus der Eins<strong>am</strong>keit des bürgerlichen Intellektuellen, der<br />

Befreiung von der Haltlosigkeit einer bloßen „Seelenwirklichkeit“.<br />

Ein „Funkgespräch zwischen New-York und Moskau“, als Motto dem Titelblatt beigefügt, verlegt<br />

die Handlung in eine ferne Zeit: „‘Es war doch merkwürdig und schön, das mit der Seele!’ ‘Seele!<br />

286<br />

„Ich werde immer aufgeregter, aber der Roman rollt immer noch nicht.“ (Ebd., S. 154, 4.4.1916) „Den Roman<br />

schreibe ich noch immer nicht.“ (Ebd., S. 164, 6.5.1916) Im Mai 1918 ist im Tagebuch noch immer vom Roman die<br />

Rede: „Ich selbst glaube, dass ich langs<strong>am</strong> lerne, einen Roman zu schreiben. Am Ende des Buches werde ich es<br />

wissen. Ich fürchte, dann werde ich das Ganze von neuem schreiben [...].“ (Ebd., S. 309, 16.5.1918)<br />

287<br />

Anna Schl<strong>am</strong>adinger macht erneut tief psychische Krisen durch, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch,<br />

sich von ihrem Mann endgültig zu trennen, und der Treue zu ihren Kindern Erny und Ervin. Im April wird Balázs<br />

von seinem Dienstmädchen bestohlen. Anna und er befürchten nun von ihr erpresst zu werden. Im Herbst 1915<br />

werden Edith und Anna ihm, der gerade einmal wieder beschlossen hat, asketisch zu leben, „auf Frauenfleisch zu<br />

verzichten“ (Ebd., S. 97), gemeins<strong>am</strong> vorwerfen, mit dem Dienstmädchen Julcsa angebändelt zu haben. „Hier sind<br />

wir also gelandet. So beschmutze, verunstalte ich alles. [...] Die weggeworfene Vergangenheit bäumt sich auf und<br />

kotzt mich voll.“ (S. 98)<br />

288<br />

Béla Balázs, Isten tenyerén [In Gottes Hand]. Koloszvár [Klausenburg; heute: Cluj-Napoca]: Lapkiadó Rt., 1921.<br />

289<br />

Béla Balázs, Unmögliche Menschen. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Rütten & Loening, 1930 (das Buch wurde schon 1929<br />

an den Buchhandel ausgeliefert).<br />

290<br />

„Einige Zeit darauf [nach dem 1925 erschienenen Buch Balázs’ Der Phantasie-Reiseführer] hast Du den Roman<br />

‘In Gottes Hand’ umgearbeitet. Die Umarbeitung bestand darin, dass an das Ende des fast unverändert<br />

gebliebenen Buches ein roter Fetzen angenagelt wurde.“ (Georg Lukács an Balázs, 31.1.1940, in: Balázs Béla<br />

levelei Lukács Györgyhöz, S. 185 [Original in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5018/180].) Da der zweite Teil des<br />

Buches nur in der deutschen Ausgabe erschienen ist, muss sich Lukács Äußerung auf seine Kenntnis des<br />

Manuskripts beziehen.<br />

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