12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

unterscheidet zwischen „liminal and liminoid phenomena“. 256 „Liminal phenomena“ sind für ihn die<br />

obligatorischen Übergangsriten - insbesondere in jenen Agrargesellschaften, in denen die Scheidung<br />

zwischen skaraler und profaner Sphäre kaum entwickelt ist -, die in den allgemeinen sozialen und<br />

ökonomischen Prozeß integriert sind, kollektiv durchlaufen werden und bestimmten biologischen,<br />

kosmischen, sozialen, lebensgeschichtlichen Zyklen unterworfen sind. „Liminoid phenomena“<br />

dagegen stellen die oft aus Übergangsriten hervorgegangenen kulturellen Formen dar, die individuell<br />

und freiwillig, in der Regel nicht-zyklisch und abseits der materiellen Reproduktion der sozialen und<br />

ökonomischen Strukturen ein Reservoir für innovatives, zuweilen auch revolutionäres Potential<br />

bilden, ohne das moderne Gesellschaften nicht existieren könnten. 257 Beide historisch und<br />

systematisch unterschiedenen Formen des Schwellenzustandes verbinde jedoch die Erfahrung der<br />

„communitas“ und das Phänomen des „flow“-Erlebnisses. Es fällt nicht schwer, in Turners<br />

Beschreibung der „communitas“ - „an unmediated relationship between historical, idiosyncrative,<br />

concrete individuals“ 258 - eine Variation von Balázs’ und Lukács’ Utopie der Begegnung der<br />

„nackten Seelen“ zu erkennen, die Turner als ein Gefühl der Allmacht kennzeichnet: „It has something<br />

‘magical’ about it. Subjectively is in it a feeling of endless power.“ 259 Und spätestens hier schleicht<br />

sich auch in Turners Analyse ein Element von Wunschdenken. Ihrer sozialen Eigenschaften und<br />

Determinierungen entkleidet, kommunizieren, so Turner, die Individuen der „communitas“ spontan<br />

und unvermittelt miteinander, ob es sich dabei um eine Gemeinschaft von Initianden, eine<br />

revolutionäre Theatergruppe oder die Neophyten eines Geheimbundes handelt. „Individuals who<br />

interact with one another in the mode of spontaneous communitas become totally absorbed into a<br />

single synchronized fluid event.“ 260 Turners Beschreibung jenes „flüssigen Ereignisses“, mit dem der<br />

Initiand verschmilzt, das Erleben des „flow“, bezieht sich auf die Forschungen seines Schülers Mihaly<br />

Csikszentmihaly, der unterschiedliche Glücksgefühle untersucht und „flow“ als „das holistische Gefühl<br />

bei völligem Aufgehen in einer Tätigkeit“ 261 , als Kern intrinsischer Motivation und „autotelischer“<br />

Aktivität interpretiert hat. In diesem Zustand „folgt Handlung auf Handlung, und zwar nach einer<br />

inneren Logik, welche kein bewußtes Eingreifen von Seiten des Handelnden zu erfordern scheint. Er<br />

erlebt den Prozeß als ein einheitliches ‘Fließen’ von einem Augenblick zum nächsten, wobei er<br />

256<br />

Turner, From Ritual to Theatre, S. 53.<br />

257<br />

Vgl. ebd., S. 53ff.<br />

258<br />

Ebd., S. 45.<br />

259<br />

Ebd., S. 47f.<br />

260<br />

Ebd., S. 48.<br />

261<br />

Mihaly Csikszentmihaly, Das flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen. Stuttgart:<br />

Klett-Cotta, 1985, S. 58f.<br />

217

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!