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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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neuen konstruktivistischen Avantgarde, die an die Stelle von Impressionismus und Symbolismus<br />

treten will.“ 18<br />

Doch in der „Todesästhetik“ liegt uns keine theoretische Arbeit vor, keine Analyse, aber auch kein<br />

ästhetisches Progr<strong>am</strong>m, kein Manifest von der Art, wie sie wenig später, beginnend mit Marinettis 1.<br />

Manifest des italienischen Futurismus 1908/1909, zum Kennzeichen der verschiedenen<br />

Avantgarden wurde. „Es ist das Manifest, mit dem die Avantgarde ihre Ismen begründet, definiert,<br />

strukturiert [...], das wichtigste literarische Genre, das die Avantgarde für sich entdeckt, entwickelt,<br />

propagiert, mit dem sie bis zur Selbstnegation des Genres experimentiert hat.“ 19 Mit dem Blick auf<br />

die wachsende Zahl von Avantgarde-Anthologien lässt sich erkennen, so Walter Fähnders, welche<br />

zentrale Rolle die Manifeste mit ihren Prokl<strong>am</strong>ationen, ihren Forderungen und Anklagen, ihren<br />

Provokationen und ihrem ins Publikum geschleuderten Schrei bei der Ausdifferenzierung und<br />

Konkurrenz der jeweiligen ästhetischen Erlösungsbewegungen gespielt haben.<br />

Balázs, der bis zum Beginn der zwanziger Jahre vor allem eines werden wollte: ein großer<br />

Dr<strong>am</strong>atiker 20 , blieb dem Konstruktivismus und allen anderen „Ismen“ gegenüber auf Distanz, wenn<br />

auch weniger rigide als sein zeitweiliger „geistiger Waffenbruder“ Georg Lukács.<br />

Mit Balázs’ und Lukács’ „Bündnis“ aber, mit dessen problematischer Gestalt, dessen Widersprüchen<br />

und Fragwürdigkeiten hatte die „Todesästhetik“ des Jahres 1907 noch wenig zu tun. Die<br />

Freundschaft zwischen Balázs und Georg Lukács, die sich 1904 im Kontext der von Lukács,<br />

Marcell Benedek, László Bánóczi und Sándor Hevesi ins Leben gerufenen freien Theater-Bühne<br />

„Thalia“ in Budapest wohl zum ersten mal begegneten, begann erst 1908/1909. 21<br />

18 Ferenc Fehér, „Das Bündnis von Georg Lukács und Béla Balázs bis zur ungaris chen Revolution 1918“, in:<br />

Agnes Heller, Ferenc Fehér, György Márkus, Sándor Radnóti, Die Seele und das Leben. Studien zum frühen<br />

Lukács. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1977, S. 162.<br />

19 Walter Fähnders, „‘Vielleicht ein Manifest’. Zur Entwicklung des avantgardistischen Manifestes“, in: Wolfgang<br />

Asholt/Walter Fähnders (Hg.), „Die ganze Welt ist eine Manifestation“. Die europäische Avantgarde und ihre<br />

Manifeste. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997, S. 18.<br />

20 Im Tagebuch wähnt sich Balázs gar als einzig würdigen Nachfolger Gerhart Hauptmanns, den „einzigen, den ich<br />

als meinen unmittelbaren Vorgänger empfinde“. (Balázs, Napló 1903-1914, S. 387, Eintrag vom 9.2.1907)<br />

21 Die Tatsache, dass Georg Lukács sich im Winter 1906/1907 ebenfalls in Berlin aufhielt und in dieser Zeit<br />

Kontakt zu Georg Simmel unterhielt, hat immer wieder zu der Annahme geführt, dass Balázs und Lukács zu dieser<br />

Zeit schon miteinander befreundet gewesen seien, so z.B. bei Gyula Hellenbart, König Midas in Budapest. Georg<br />

Lukács und die Ungarn. Wien: Passagen Verlag, 1995, S. 54. „Eine ähnlich enge [...] Freundschaft verband ihn mit<br />

dem gleichaltrigen Dichter Béla Balázs. Mit ihm zus<strong>am</strong>men saß er 1906-1908 in Simmels Seminaren an der Berliner<br />

<strong>Universität</strong>, wo sie sich befreundeten.“<br />

Balázs aber erwähnt Lukács in seinem Tagebuch zu dieser Zeit kein einziges Mal. Es ist daher durchaus fraglich,<br />

ob sie sich in Simmels Privatseminar überhaupt gesehen haben.<br />

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