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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Vorgehensweise ab, die „darin besteht, verschiedene Riten - ob positiver oder negativer Art - aus<br />

einem Zeremonialkomplex herauszulösen, sie isoliert zu betrachten und so ihres<br />

Sinneszus<strong>am</strong>menhangs in einem dyn<strong>am</strong>ischen Ganzen zu berauben.“ 223 Van Genneps Interesse<br />

konzentrierte sich auf die szenische Einheit von Ritual und unterschiedlichen Übergangs-, Konflikt-<br />

und Entscheidungssituationen, jene kollektiven Praktiken, die Mobilität in „primitiven“ wie auch in<br />

„entwickelten“ Gesellschaften ermöglichen und regeln. Sein Interesse galt der Dyn<strong>am</strong>ik sozialer,<br />

lebensgeschichtlicher und räumlicher Grenzüberschreitungen, wie sie bei Geburten, Hochzeiten und<br />

Begräbnissen zu beobachten sind, Initiationsriten, die der Aufnahme eines oder einer<br />

Heranwachsenden in die Gemeinschaft der Erwachsenen dienen oder den Eintritt eines Individuums<br />

in einen Geheimbund begleiten, Übergangsriten, wie sie jahrezeitliche Wechsel oder auch den<br />

Aufbruch zur Jagd oder zu einem Krieg organisieren - und d<strong>am</strong>it eben jenen Ritualen, die mit der<br />

Komplexität der angeblich „primitiven“ Gesellschaften verbunden sind, mit ihren Veränderungen und<br />

Widersprüchen, ihren bis heute aktuellen Aspekten. Und er machte aus dieser Perspektive keinen<br />

Hehl. Anders als Lucien Lévy-Bruhl, aber durchaus ähnlich wie Marcel Mauss, betonte Van Gennep<br />

die Relativität des Gegensatzes zwischen archaischen und modernen Formen des Sozialen.<br />

Mobilität, Grenzüberschreitungen, Übergänge zwischen Alters- und Tätigkeitsgruppen seien<br />

kennzeichnend für jede Gesellschaft, ihre Formen seien freilich in jenen Gesellschaften, in denen die<br />

sakrale Sphäre alle Bereiche des Lebens ergreift, ausgeprägter ritualisiert. „Jede Veränderung im<br />

Leben eines Individuums erfordert teils profane, teils sakrale Aktionen und Reaktionen, die<br />

reglementiert und überwacht werden müssen, d<strong>am</strong>it die Gesellschaft als Ganzes weder in Konflikt<br />

gerät, noch Schaden nimmt. [...] Zu jedem dieser Ereignisse gehören Zeremonien, deren Ziel<br />

identisch ist: Das Individuum aus einer genau definierten Situation in eine andere, ebenso genau<br />

definierte hinüberzuführen.“ 224 Unmittelbar an Van Gennep anknüpfend hat insbesondere der<br />

<strong>am</strong>erikanische Ethnologe Victor Turner die Theorie der Übergangsriten nicht nur für die<br />

Feldforschung in „primitiven“ Kulturen, sondern auch für kulturelle Phänomene moderner<br />

Gesellschaften fruchtbar gemacht.<br />

222 Van Gennep, Übergangsriten, S. 20.<br />

223 Ebd., S. 91.<br />

224 Ebd., S. 15.<br />

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