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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Luzifers, sondern einer des Prometheus. Nur für den eigenen Gebrauch gemachte Totalität, in der sie<br />

sich zu Hause fühlen, ihr eigener Herr sein will, der sich selbst spürt. Aber kein Erlöser und keine<br />

Erlösung. [...] sie will keine bessere Welt sein als die Welt. Deshalb ist jede Schönheit auch traurig.<br />

Nichts Neues zum Schauen, mein Gott, doch gib mir neue Augen.“ 180<br />

6.4 „Traum-Film“ und Krieg: die „brauchbarste Poetik aller Zeiten“<br />

Balázs blieb 1914 etwa drei Monate an der serbischen Front. Sein Herzleiden verschlimmerte sich,<br />

und „sterbenskrank“, wie er im Tagebuch schreibt, wird er ins Armeekrankenhaus in Pest<br />

eingeliefert. Der Arzt konstatiert Endocarditis und befürchtet „ein ernsthaftes Herzleiden fürs ganze<br />

Leben“. 181 Zwei Monate bleibt Balázs ans Bett gefesselt, und sein Buch über den Krieg nimmt<br />

Formen an.<br />

Nicht alle Kriegserlebnisse in seinem publizierten Kriegstagebuch beruhen, wie er in seinem<br />

persönlichen Tagebuch zugibt, auf eigener Erfahrung. „Es wird ans Licht kommen, was alles in<br />

meinem Kriegstagebuch Erfindung ist. [...] Ich habe nicht nur Ereignisse, sondern auch innere<br />

Erlebnisse dazugedichtet. [...] Ich habe eine große und sichere psychologische Phantasie. Ich<br />

konstruiere feine und komplizierte, nie erfahrene seelische Erlebnisse und durchlebe sie.“ 182<br />

Balázs beschreibt sinnliche Wahrnehmung als eine Form des „Traum-Film“, den er durchlebt. Seine<br />

Schilderung des Krieges entwirft eine Poetik des Kontrasts flüchtiger Bilder, einem Schweben im<br />

Raum, und ihrer Unterbrechung durch den drohenden, Realität wiederherstellenden Tod. „Die<br />

Landschaft wechselt ihr Antlitz. - Der Mensch ist unterwegs. Und wenn er auch wochenlang in<br />

einer Gegend bleibt, betrachtet er sie trotzdem nur, wie aus einem Abteilfenster. Ein vorbeifliegendes<br />

Bild ohne Realität. Kino. Traum. Doch eines Frühmorgens erscheint eine schwarze Silhouette in der<br />

dämmrigen Öffnung der Deckung und bringt einen Befehl. Achtung, der Feind bereitet sich hier auf<br />

einen Durchbruch vor, wenn wir diese Stellung nicht halten können, ist die Deckung hinter dem<br />

Maisfeld die zweite Verteidigungslinie. Wenn auch die nicht gehalten werden kann, dann trifft man<br />

sich <strong>am</strong> Waldrand. Und dort wird bis zum letzten Mann geblieben. Weiter zurück geht es nicht, es<br />

180 Balázs, Napló 1914-1922, S. 130. Eintrag vom 26.1.1916.<br />

181 Balázs, Napló 1914-1922, S. 29. Eintrag vom 19.3.1915.<br />

182 Ebd., S. 40. Eintrag vom 31.3.1915.<br />

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