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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Formprinzip, sondern in jedem Moment des ununterbrochenen Lebensstromes präsent. „Das Ganze<br />

des Lebens läßt keinen transzendentalen Mittelpunkt in sich aufweisen.“ 152 So ist der Held der<br />

Epopöe nie Individuum und darum kennt die Epik auch kein Verbrechen und keinen Wahnsinn. Als<br />

„reine Kinderwelt“ 153 bleibt in ihr keine Übertretung der feststehenden Normen ohne Rache, die,<br />

wieder gerächt, eine unendliche Kette nach sich zieht. Lukács entwickelt aus dem Zerfall der<br />

epischen Formen, dem unwiderruflichen Auseinanderbrechen der „spontane[n] Seinstotalität“ 154 , die<br />

Geschichte des Romans als eine Geschichte der „transzendentalen Heimatlosigkeit“ 155 , in der die aus<br />

der konkreten Erfahrung verbannte Totalität einer homogenen Welt nur durch die Präsenz eines<br />

Ungenügens, wie sie durch Dissonanz und die Ironie durchscheinen, erinnert wird. Dissonanz und<br />

Ironie sind so die Kennzeichen eines „Seins des Werdens“ 156 , das immer über sich hinausweist und<br />

sich zugleich nie erreicht.<br />

Das scheinbare Auseinanderfallen der Welt in erste und zweite Natur ist für Lukács nur die<br />

Konsequenz der Entfremdung der Menschen von ihren selbstgeschaffenen Gestalten, der<br />

Gegenstände, Konventionen und Institutionen, einer Welt, die „wie die erste [Natur] nur als der<br />

Inbegriff von erkannten sinnesfremden Notwendigkeiten bestimmbar und deshalb in ihrer wirklichen<br />

Substanz unerfassbar und unerkennbar geworden sei“ 157 , eine entseelte „Schädelstätte vermoderter<br />

Innerlichkeiten“. 158 Doch der Natur, der „ersten Natur“ gegenüber sei immerhin eine lyrische<br />

Beziehung der Seelen möglich, die „fremde und unerkennbare Natur ballt sich von innen getrieben<br />

zum durch und durch erleuchteten Symbol“ 159 , zu „lyrische[r] Substantialität“ 160 , in einem<br />

„unvermittelte[n] Aufblitzen der Substanz [...], einem plötzlichen Ablesbarwerden verschollener<br />

Urschriften“. 161<br />

Die Entfremdung von den selbstgeschaffenen Objektivationen des menschlichen Handelns aber<br />

depraviert auch die „lyrische Substantialität“ zu bloßer Sentimentalität:<br />

151<br />

Lukács, Theorie des Romans, S. 26.<br />

152<br />

Ebd., S. 50.<br />

153<br />

Ebd., S. 59.<br />

154<br />

Ebd., S. 32.<br />

155<br />

Ebd., S. 59.<br />

156<br />

Ebd., S. 72.<br />

157<br />

Ebd., S. 60.<br />

158<br />

Ebd., S. 62. „Hegels Begriff der zweiten Natur wird hier geschichtsphilosophisch negativiert.“ (Bolz, Auszug aus<br />

der entzauberten Welt, S. 35)<br />

159 Ebd., S. 61.<br />

160 Ebd.<br />

161 Ebd.<br />

197

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