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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Ich [...] auf dem Altar der höheren Idee“ 139 , beschließen wird: „‘Und wenn Gott zwischen mich und<br />

meine Tat eine Sünde stellen würde, was bin ich, daß ich mich ihr entziehen dürfte?’“ 140<br />

Im „Zeitalter der vollendeten Sündhaftigkeit“ kann die „Geburt des richtigen Lebens aus der<br />

prägenden Kraft der Formen“ 141 nur in der sündhaften Tat selber liegen, mit der das Subjekt die<br />

Schuld der Welt auf sich lädt und sich d<strong>am</strong>it vernichtet. Lukács entfaltet diese messianische<br />

Vorstellung des Terrorismus in dem Projekt seiner Fragment gebliebenen Dostojewski-Arbeit, in der<br />

das Subjekt als Durchgangsfigur des Geschichtsprozesses seine „Heilserwartung an die mystische<br />

Sachlichkeit der subjektfreien Form“ 142 knüpft.<br />

Lukács’ sich dergestalt selbst aufhebendes Subjekt soll d<strong>am</strong>it auch die unüberschreitbaren Grenzen<br />

der Kasten aufheben, die er in „Von der Armut <strong>am</strong> Geiste“ gezeichnet hatte. Dort war die<br />

Möglichkeit eines „authentischen Lebens“ noch an die Elite einer Kaste der Auserwählten gebunden:<br />

„ein prinzipiell auf Ungleichheit beruhender Wert“ 143 , wie Ferenc Fehér schreibt. „Dem<br />

unscheinbaren und marginalisierten Individuum des modernen Westens“, so Gert Mattenklott daran<br />

anschließend, setzte Lukács „einen Charakter-Helden neuen Typus entgegen, dessen Ideal nicht das<br />

freie und gleiche Leben der Demokratie, sondern das authentische Leben in einer Gesellschaft ist,<br />

deren inneres Gliederungsprinzip prinzipiell auf Ungleichheit von Eliten und Massen beruht. Das<br />

authentische Leben ist notwendigerweise der Boden für die neue Monumentalität.“ 144<br />

Lukács unternimmt in Heidelberg nun einen großangelegten Versuch, Max Webers Theorie der<br />

Differenzierung der Wertsphären und der Entzauberung der Welt, seine „Resignation im ehernen<br />

Gehäuse und Blochs Anrennen gegen dessen Mauern“ 145 zueinander zu vermitteln.<br />

Doch Lukács’ Theorie des Romans, in der er die klassischen Formen der Epik mit einer utopischen<br />

Zukunft verknüpfen will, erreicht ihren gedachten Fluchtpunkt nicht - die Gestalten Dostojewskis, die<br />

aus Güte zum Terrorismus gelangen, die d<strong>am</strong>it als Individuen von der Bühne des Romans abtreten<br />

und den Roman als historische Form der Epik d<strong>am</strong>it selbst überwinden. Sie bleibt Fragment,<br />

Einleitung zu einem ungeschriebenen Werk. Primärer Gegenstand der Theorie des Romans wird so,<br />

139 Georg Lukács, „Taktik und Ethik“ [1919], in: ders., Taktik und Ethik. Politische Aufsätze I. 1918-1920. Hg. von<br />

Jörg K<strong>am</strong>mler und Frank Benseler. Darmstadt/Neuwied: Luchterhand, 1975, S. 53.<br />

140 Georg Lukács an Paul Ernst, 4.5.1915, in: Lukács, Briefwechsel, S. 352.<br />

141 Gert Mattenklott, Blindgänger. Physiognomische Essais. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1986, S. 163.<br />

142 Ebd., S. 164.<br />

143 Fehér, „Die Geschichtsphilosophie des Dr<strong>am</strong>as“, S. 38.<br />

144 Mattenklott, Blindgänger, S. 165.<br />

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