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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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einverstanden. Es ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß der Westen gegen<br />

Deutschland siegt; wenn das den Untergang der Hohenzollern und der Habsburger zur Folge hat, bin<br />

ich ebenfalls einverstanden. Aber dann entsteht die Frage: wer rettet uns vor der westlichen<br />

Zivilisation?“ 120 Lukács’, Blochs und Balázs’ Gedanken kreisen in dieser Zeit gleichermaßen um das<br />

Verhältnis von Utopie und Opfer, aus deren Spannung heraus eine neue Ethik entstehen soll. So<br />

schwanken sie „in ihrer Kulturkritik um den folgenden Widerspruch. Einerseits: Wir müssen opfern,<br />

um eine Utopie zu erreichen. Andererseits: Wir brauchen eine Utopie, um opfern zu können.“ 121<br />

In seiner Fragment gebliebenen und seinerzeit nicht veröffentlichten Schrift „Die deutschen<br />

Intellektuellen und der Krieg“ 122 versucht Lukács 1915 hingegen in auffallend vorsichtiger Weise der<br />

deutschen Auserwähltheitsmystik und nationalen Euphorie mit Sachlichkeit gegenüberzutreten. „Die<br />

Erlebniskomplexe der deutschen Intelligenz bei Ausbruch des Krieges ließen sich vielleicht so <strong>am</strong><br />

einfachsten umschreiben: eine ganz allgemeine, spontane Begeisterung, der aber jeder deutliche oder<br />

positive Inhalt fehlt.“ 123 Lukács konstatiert lediglich eine „Intensitätsrichtung [...] einer Befreiung aus<br />

einem - nunmehr - als unhaltbar empfundenen Zustand“. 124 Als Beleg für diese Bejahung des Krieges<br />

um des Krieges selbst willen, der letztlich auf eine Aufhebung der „Isolation der Kultur und der<br />

Kulturträger“ 125 ziele und zu einer „neuen, brüderlichen Gemeinschaft“ 126 führen solle, zitiert er<br />

Thomas Mann und Georg Simmel und kontrastiert sie mit einer dezidiert anti-nationalen<br />

Argumentation. Nicht nur sei diese Form der Kriegsbejahung durchaus auch in anderen Nationen<br />

möglich, vor allem aber erkennt er in diesem Krieg einen internationalen Typus des Heldentums:<br />

„[D]er Held dieses Krieges ist ein n<strong>am</strong>enloser. In schlichter, sachlicher und unauffälliger<br />

Pflichterfüllung tut er was die Stunde gebietet, ohne daran zu denken, ob seine Leistung, in ihrer<br />

objektiven Bewertung, etwas Entscheidendes oder Episodisches [ist].“ 127 Lukács konzidiert diesem<br />

Heroismus, der sich als Ziffer in eine Maschinerie einordnet, paradoxerweise eine wieder auflebende<br />

120 Lukács, „Vorwort“, in: Die Theorie des Romans, S. 5. Vgl. auch Lukács, Gelebtes Denken, S. 69f. und fast<br />

gleichlautend S. 79f. Dort heißt es beide Male: „[W]er wird uns vor der westlichen Demokratie schützen?“<br />

121 Reiter, Opferordnung, S. 403 (Anmerkung 661).<br />

122 Der Text gehört zu den 1973 wiederentdeckten Dokumenten in Lukács’ legendärem Heidelberger Koffer und<br />

wurde noch im gleichen Jahr veröffentlicht, in: text + kritik. Zeitschrift für Literatur. Georg Lukács. H. 39/40<br />

(1973), München: edition text + kritik. Richard Boorberg Verlag, 1973.<br />

123 Ebd., S. 65.<br />

124<br />

Ebd.<br />

125<br />

Ebd., S. 66.<br />

126<br />

Ebd.<br />

127<br />

Ebd., S. 67.<br />

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