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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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kann jede existierende Kollektivität nur die Quelle von offenem und unverfrorenem Egoismus<br />

sein.“ 113<br />

6.3 Lucifer und Prometheus<br />

Ethik im Zeitalter der vollendeten Sündhaftigkeit<br />

Schon im Herbst 1913 hatte Balázs in seinem Tagebuch notiert: „Gyuris große neue Philosophie. Der<br />

Messianismus. Die homogene Welt als Ziel der Erlösung. Die Kunst ist Luzifers ‘die Dinge besser<br />

machen’. Die Welt als homogen zu betrachten, bevor sie es tatsächlich wird. Die Amoralität der<br />

Kunst. Gyuris große Wendung zur Ethik. Dies wird das Zentrum seines Lebens und seines Werks.<br />

Seine große Übereinstimmung darin mit Ljena, die ein experimentelles Stadium ist, der menschliche<br />

Aspekt seiner Probleme und seiner ethischen Imperative. Gyuri hat in sich selbst den Juden entdeckt!<br />

Die Suche nach Ahnen. Die Chassidische Sekte. Baal Schem. Nun hat er seine Ahnen gefunden und<br />

seine Rasse, nur ich bin allein und verloren. Ohne Vorfahren, ohne Rasse. Warum ist das schändlich?<br />

Warum ist es eine Schande? Und warum sucht man in der Rasse Rechtfertigung und Wert für sein<br />

Werk? Und doch, wer bin ich <strong>am</strong> Ende? Gyuris Theorie über den kommenden, den<br />

wiedererscheinenden jüdischen Typ, den anti-rationalistischen Skeptiker, jenem, der die Antithese<br />

darstellt zu allem, was man gemeinhin als ‘Jüdisch’ bezeichnet.“ 114 Lukács’ Beschäftigung mit der<br />

jüdischen Mystik, angestoßen durch Martin Bubers Veröffentlichung der Legende des Baalschem 115<br />

ging freilich Hand in Hand mit seiner Beschäftigung mit der christlichen Mystik Meister Eckharts, mit<br />

der Gnostik des frühchristlichen Ketzers Marcion (gemeins<strong>am</strong> mit Bloch), seiner wachsenden<br />

Identifikation mit den Gestalten Dostojewskis und schließlich der Geschichte des russischen<br />

Terrorismus. Lukács’ Rede vom Luziferismus der Kunst bleibt für Jahre virulent und wird auch die<br />

Diskussionen im Budapester Sonntagskreis beeinflussen.<br />

Für die Kriegsbegeisterung Balázs’ und erst recht vieler seiner Heidelberger Bekannten hatte Georg<br />

Lukács im Sommer 1914 nur Verachtung übrig. Gemeins<strong>am</strong> mit Ernst Bloch, Gustav Radbruch, Karl<br />

113 Ebd., S. 133f.<br />

114 Balázs, Napló 1903-1914, S. 614. Eintrag im Herbst 1913.<br />

115 Martin Buber, Die Legende des Baalschem. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Rüetten & Loening, 1908. Lukács widmete 1911<br />

den chassidischen Erzählungen Bubers eine Rezension in der Zeitschrift A Szellem unter dem Titel „Jüdischer<br />

Mystizismus“, in dem er Baalschem mit dem christlichen Mystiker Meister Eckhart vergleicht.<br />

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