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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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leben, egal um welchen Preis.“ 88 Und er fragt, ob man den Selbstmörder wirklich ins Leben<br />

zurückholen müsse, wie es die Zivilisation vorschreibt. „Spürst Du nicht, Prinzessin, dass dies pure<br />

Vegetation ist, welche einen ganz schrecklichen Dreck produziert [...].“ 89<br />

Balázs ist hier nicht weit entfernt von Thomas Manns Zivilisationskritik und er suspendiert die<br />

ethische Fragestellung schließlich gegenüber einer Ästhetik des gelebten Todes. „Sterben, das macht<br />

auch der Lebende noch. Und wenn das nicht der absolute Gipfel seines Lebens ist, dann hat er<br />

schlecht gespielt.“ 90 Dass dieser Krieg „aufregend, verlockend, teuflisch schön“ 91 sei, lasse sich mit<br />

ethischen Fragen nicht entkräften. „Er symbolisiert die Totalität des Lebens, welches den Sinn des<br />

Todes gefunden, also sich vom Tod geschieden hat.“ 92 Den Tod zu überwinden, indem man ihn<br />

durchlebt, die Phantasie der Widergeburt, geht einher mit der Vorstellung kosmischer Solidarität. Die<br />

Bedrohung eines Krieges, der keine Grenzen mehr kennt, weil er nicht um Grenzen geführt wird, der<br />

Krieg, der alles zu vernichten droht, setzt auch alles zueinander in Beziehung. „Der Krieg ist ein<br />

riesiger Vergleich, Vergleich des Lebens. Denn er ist ein K<strong>am</strong>pf, eine Zielsetzung und Wille und<br />

Opferung und Sieg und Fall“ 93 , er ist die sich „selbstauslebende Totalität“. 94 Thomas Mann hat im<br />

Dr. Faustus die Lust <strong>am</strong> Untergehen, die ihm aus eigener Erfahrung so vertraut war, treffend<br />

charakterisiert: den Genuß „für das höhere Individuum [...] einmal - und wo hätte dies Einmal zu<br />

finden sein sollen, wenn nicht hier und jetzt - mit Haut und Haar im Allgemeinen unterzugehen“. 95<br />

Dieser Krieg hat auch für Balázs kein Ziel und gerade darum, als sinnloser Akt des Leidens, habe er<br />

existentielle Bedeutung für alle. Entkleidet aller äußerlichen Bestimmungen, hat für Balázs die<br />

„Seelenwirklichkeit“ hier zu sich selbst gefunden. „Denn nur das ist wichtig, dass sein [des<br />

Menschen] ganzes Wesen in einem Zentrum zus<strong>am</strong>mengetrieben wird. Das auseinandergest<strong>am</strong>pfte,<br />

das zertretene Leben in einer Minute, auf einem Blatt zus<strong>am</strong>mengerafft, das ist das größte Erlebnis.<br />

Man kann nie so schön leben, wie man sterben kann.“ 96 Seine Sehnsucht gilt dem erlösenden<br />

Augenblick der Erfahrung des Todes, für die er immer wieder neue Formulierungen findet. „Die<br />

88<br />

Ebd., S. 44.<br />

89<br />

Ebd.<br />

90<br />

Ebd., S. 44f.<br />

91<br />

Ebd., S. 133.<br />

92<br />

Ebd., S. 134.<br />

93<br />

Ebd., S. 133.<br />

94<br />

Ebd., S. 45.<br />

95<br />

Mann, Doktor Faustus, S. 302.<br />

96<br />

Balázs, Lélek a haboruban, S. 42.<br />

186

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