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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Krieg sei „das einzige, zus<strong>am</strong>menhängende Schicksal unendlich vieler, die Lawine, die Einzelwesen, -<br />

Denken, -Glauben in eine große Erfüllung formt: in ein Chaos gesteigerter, aber primitivster Taten.<br />

[...] Der Deutsche (und jeder andere Vernünftige) kämpft um der Erfüllung der seelischen<br />

Hingebungsmöglichkeiten seines Volkes, um der höchsten Steigerung seines stärksten Ausdruckes<br />

willen actives Sieg-Erlangen. Nur ein Narr kümmert sich um die Eroberung Belgiens! Nur ein Narr<br />

will stärker sein wie French - aber Sieg erringen: ins Ungeheuerliche sich ‘steigern’, ‘potenzieren’,<br />

mehr tun als man kann, sich selbst überragen, die Mensch-Möglichkeiten sprengen, Held-sein, Gott-<br />

sein will das Volk.“ 84 Und er räumt ein, dass „der heilige Krieg“ dazu eine Fassade, eine anständige<br />

„Aufmachung“ bräuchte.<br />

Balázs’ Solidarität mit den Vielen, den Leidenden macht auch vor dem gegnerischen Schützengraben<br />

nicht halt. Wären es nur die Ungarn, die litten, so erklärt er der „Prinzessin“, würde es ihm schwerer<br />

fallen, in den Krieg zu ziehen. Doch nun sind „40 Millionen [...] in den Schatten des Todes getreten<br />

und dieser Massenanziehung konnte ich nicht widerstehen. Die 10 Millionen Russen und Serben und<br />

ich weiß nicht wieviele Franzosen, auch mit ihnen möchte ich solidarisch sein, wenn ich mit ihnen auf<br />

das gleiche Schlachtfeld trete, und die gemeins<strong>am</strong>en Leiden mit ihnen teile.“ 85<br />

So wie Georg Simmel, der immer wieder betont hatte, dass nicht die Bewahrung des Lebens<br />

sondern seine Verausgabung die Grundlage jeder Kultur sei, stellt auch Balázs einer „Humanität“, die<br />

das Leben um des Lebens willen verteidigt, die Kultur entgegen, in der das Leben kein Wert an sich<br />

sei, sondern „eine Möglichkeit um Werte zu produzieren“ 86 , dazu da um für Höheres geopfert zu<br />

werden. „Für das pure Leben kannst Du alles opfern, außer das Leben [...]. Aber es gibt doch<br />

Dinge, für die man sterben darf.“ Die Prinzessin antwortet sarkastisch: „Weil Du sonst keine<br />

Tragödien schreiben dürftest.“ 87<br />

Balázs pointiert seine Fragen an die „Zivilisation“ an einem Problem, das sich kaum noch so<br />

unbefangen betrachten lässt, wie er es 1915 tut. „In dieser Ziviliation“, so fragt er die „Prinzessin“,<br />

„ist das tiefste Problem, ob der Arzt seinen Patienten töten darf, angesichts der Bitte des Patienten,<br />

von dem er sicher weiß, dass er unrettbar ist, und dass er sich nur quälen wird. [...] Das ist<br />

Zivilisation [...], die voll ist mit schrecklichen Leiden, Verrückten und Verkrüppelten. [...] Man muss<br />

84 Ebd.<br />

85 Balázs, Lélek a haboruban, S. 37.<br />

86 Ebd., S. 43.<br />

87 Ebd., S. 42.<br />

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